Chamäleon-Zauber
sein, nur das Gehirn war vergessen worden. »Es ist gefährlich. Viel böse Magie. Ich gehe allein.«
»Allein?« Sie war immer noch verwirrt, obwohl sie sich beim Gehen ganz gut hielt. Bink war richtig erstaunt, daß man mit diesen Beinen tatsächlich auch klettern und wandern konnte. »Ich brauche Hilfe. Magie.«
»Der Magier verlangt einen Jahresdienst. Das – das willst du doch wohl nicht bezahlen!« Der Gute Magier war ein Mann, und Wynne besaß ganz offensichtlich nur eine einzige Münze… Niemand würde sich für ihren Verstand interessieren.
Sie sah ihn verwirrt an. Dann erhellte sich ihr Gesicht wieder. »Du willst Bezahlung?« Sie legte eine Hand an das Vorderteil ihres Kleides.
»Nein!« schrie Bink und stürzte beinahe den Abhang hinunter. Er konnte sich bereits vorstellen, wie es zu einer neuen Anhörung kam, und zwar zu einer mit einem anderen Urteil. Wer würde ihm schon glauben, daß er diese hübsche Idiotin nicht ausgenutzt hatte? Wenn sie ihm noch mehr von ihrem Körper zeigen sollte – »Nein!« wiederholte er, mehr zu sich selbst als an sie gerichtet.
»Aber…« sagte sie, und ihr Gesicht verfinsterte sich wieder.
Eine neue Ablenkung rettete ihn. Sie waren nun schon fast am Boden der Schlucht angekommen, und Bink konnte drüben schon die sanftere Steigung des Südhangs sehen. Das war kein Problem mehr. Er wollte Wynne gerade nach Hause schicken, als er ein unangenehmes Geräusch vernahm, eine Art von Rutsch-Aufprall. Es wurde wiederholt – sehr laut und schaurig, ohne sich genauer definieren zu lassen.
»Was ist das?« fragte er nervös.
Wynne legte die Hand hinters Ohr, um zu lauschen, obwohl das Geräusch gut zu hören war. Da sie dabei ihr Gleichgewicht verlagerte, verloren ihre Füße etwas von ihrem Halt, und sie begann hinabzurutschen. Er sprang hoch, um sie aufzufangen, und hob sie sanft auf den Boden der Schlucht. Da hatte er vielleicht etwas im Arm, alles weich und nachgiebig und schlank, in Proportionen, die schon an ein Wunder grenzten!
Sie drehte ihm ihr Gesicht zu und strich sich ihr Haar aus dem Gesicht. »Der Spaltendrache«, sagte sie.
»Ist er gefährlich?«
»Ja.«
Sie war zu dumm gewesen, um es ihm zu sagen, bevor er fragte, und er hatte nicht daran gedacht, sie danach zu fragen, bevor er das Geräusch gehört hatte. Wenn er sie vielleicht nicht dauernd angesehen hätte – aber was hätte ein Mann denn sonst ansehen sollen?
Er sah schon, wie sich das Ungeheuer aus dem Westen näherte – ein rauchender Reptilienkopf, dicht am Boden, aber groß. Sehr groß! »Lauf!« brüllte Bink.
Sie fing an zu laufen – genau nach vorn, in die Schlucht hinein.
»Nein!« schrie er und schubste sie zum Nordhang, da dies der nächste Fluchtweg war.
»Du willst Bezahlung?« fragte sie.
Junge, Junge! »Lauf da hoch!« rief er und hoffte, daß der Drache kein guter Kletterer war. Sie gehorchte und war bald über ihm.
Doch die funkelnden Augen des Spaltendrachen folgten ihrer Bewegung. Das Tier schlug einen Haken, um sie abzufangen. Bink sah, daß sie den Pfad nicht mehr rechtzeitig erreichen konnte. Das Ungeheuer stampfte mit der Schnelligkeit eines Zentauren heran.
Bink lief in kurzen schnellen Sprüngen hinter ihr her, packte sie und schleuderte sie fast in Richtung Süden. Selbst in dieser verzweifelten Lage wurde er immer noch von ihrem weichen, geschmeidigen Körper abgelenkt. »Dort entlang!« rief er. »Er kommt!« Er benahm sich so närrisch wie sie, weil er mitten in der Gefahr seine Meinung änderte.
Er mußte das Ungeheuer irgendwie ablenken. »He, Dampfschnauze!« brüllte er und wedelte wild mit den Armen.
»Schau mich an!«
Der Drache sah ihn an. Wynne auch.
»Du nicht!« schrie Bink. »Lauf rüber! Hau aus der Spalte ab.«
Sie rannte wieder los. Niemand konnte so dumm sein, um nicht
zu merken, wie groß die Gefahr hier war.
Jetzt hatte der Drache seine Aufmerksamkeit auf Bink gerichtet. Er wandte sich erneut um und kam auf ihn zu. Er hatte einen langen, sehnigen Körper und drei plumpe Beinpaare. Die Beine hoben den Oberkörper hoch und stießen ihn nach vorn, so daß er mehrere Fuß weit rutschte. Das Ganze wirkte sehr plump, doch das Ding bewegte sich mit beunruhigender Schnelligkeit voran.
Es war Zeit, davonzulaufen! Bink rannte die Schlucht nach Osten hinunter. Der Drache hatte ihm den Nordhang bereits abgeschnitten, und er wollte ihn nicht in Wynnes Richtung locken. Er konnte wesentlich schneller rennen als Bink, trotz seiner holprigen
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