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Chamäleon-Zauber

Titel: Chamäleon-Zauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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nervös.
    Nun ergriff der Richter das Wort. »War das in der Nähe eines Hauses?«
    »Ungefähr hundert Fuß entfernt«, sagte der Gerichtsbüttel.
    »Warum hat sie dann nicht geschrien?«
    »Er sagte, daß er sie sonst in die Schlucht stürzen würde«, erwiderte der Gerichtsdiener. »Sie war starr vor Angst. Stimmt’s, Mädchen?«
    Sie nickten – und sahen alle einen Augenblick verängstigt aus. Bink fragte sich, welche von den dreien wohl wirklich vergewaltigt worden sein mochte. Dann berichtigte er seinen Gedanken hastig. Welche hatte die Anklage vorgebracht? Er hoffte nicht, daß es das Mädchen ihm gegenüber war.
    »Kannten die beiden sich schon von früher?«
    »Jawohl, Euer Ehren.«
    »Dann gehe ich davon aus, daß sie wohl von vornherein geflohen wäre, wenn sie ihn nicht gemocht hätte – und daß er sie nicht gezwungen haben kann, wenn sie ihm vertraute. In einer kleinen Gemeinschaft wie dieser hier lernen die Leute einander gutgenug kennen, so daß es kaum wirkliche Überraschungen gibt. Das ist zwar kein Beweis, aber es legt die Vermutung sehr nahe, daß sie gegen den Kontakt mit ihm nichts einzuwenden gehabt hat und daß sie ihn mit einem Antrag in Versuchung geführt haben kann, den sie später bereut hat. Wegen begründeter Zweifel würde ich den Mann in einem formellen Prozeß vermutlich freisprechen.«
    Die drei Männer entspannten sich. Bink merkte, wie ihm eine Schweißperle über die Stirn lief, während er der möglichen Entscheidung des Richters lauschte.
    »Also gut, jetzt habt ihr das Gutachten des Richters«, sagte der Büttel. »Wollt ihr Mädchen jetzt immer noch einen öffentlichen Prozeß?«
    Mit grimmigen Gesichtern und einem Ausdruck, der zeigen sollte, daß sie sich verraten fühlten, schüttelten die Mädchen den Kopf. Bink empfand Mitleid für seine Gegenspielerin. Wie sollte sie es denn vermeiden, verführerisch zu wirken? Sie schien nur für eins wirklich geschaffen zu sein: für Vergew… für die Liebe.
    »Dann zieht Leine«, sagte der Gerichtsdiener. »Und denkt daran: Draußen wird nichts erzählt, sonst bekommen wir einen echten Prozeß, wegen Mißachtung des Gerichts.« Die Warnung schien überflüssig zu sein; die Mädchen würden wohl kaum etwas sagen. Der schuldige – äh, unschuldige Mann würde auch den Mund halten, und Bink selbst wollte das Dorf möglichst bald wieder verlassen. Da blieb also nur noch ein Mann übrig, der etwas verraten konnte – aber wenn er das täte, dann würden die anderen alle wissen, wer es gewesen war.
    Also war alles vorbei. Bink stand auf und ging zusammen mit den anderen hinaus. Das Ganze hatte weniger lang gedauert als die versprochene Stunde, also hatte er es ganz gut: Er hatte über Nacht eine Unterkunft gehabt und war ausgeruht. Alles, was er nun brauchte, das war, den Weg zu finden, der zum Schloß des Guten Magiers führte.
    Der Gerichtsdiener trat aus dem Gebäude, und Bink schritt auf ihn zu. »Können Sie mir sagen, wie ich von hier nach Süden komme?«
    »Junge, die Schlucht darfst du nicht überqueren«, sagte der Büttel, und über seinem Kopf bildete sich eine kleine Wolke. »Außer, du kannst fliegen.«
    »Ich bin zu Fuß.«
    »Es gibt da einen Weg, aber der Spaltendrache… Du bist ein netter Junge, bist jung und siehst gut aus. Du hast dich bei der Anhörung gut verhalten. Riskier es nicht!«
    Jeder hielt ihn für so verdammt jung! In den Augen der Bewohner von Xanth würde ihm nur ein guter, starker, persönlicher Zauber Männlichkeit verleihen. »Ich muß es einfach riskieren.«
    Der Büttel seufzte. »Na gut, Junge, dann kann ich es dir wohl kaum verbieten. Ich bin nicht dein Vater.« Er zog seinen Bauch ein, der mindestens ebenso beeindruckend war wie der des Richters, und blickte mißmutig auf die Wolke über seinem Kopf. Die Wolke schien ein oder zwei Tränen zu verlieren. Bink zuckte wieder innerlich zusammen. Jetzt wurde er nicht nur bemuttert, sondern auch noch bevatert. »Aber das ist kompliziert. Es ist besser, wenn Wynne dir den Weg zeigt.«
    »Wynne?«
    »Dein Gegenüber. Die du fast vergewaltigt hast.« Der Gerichtsvollzieher lächelte, machte eine Handbewegung, und die
    Wolke löste sich auf. »Nicht, daß ich das nicht verstehen könnte.«
    Das Mädchen reagierte offenbar auf das Signal und kam heran.
    »Wynne, Süße, bring diesen Mann doch bitte zum Südhang der
    Spalte. Und paß auf, daß ihr dem Drachen aus dem Weg geht.«
    »Klar«, sagte sie lächelnd.
    Bink hatte gemischte Gefühle dabei.

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