Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Chamäleon-Zauber

Titel: Chamäleon-Zauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
Vom Netzwerk:
herrschte Schweigen, doch Bink ließ sich nicht narren. Drachen, die auf dem Land lebten, hatten meistens die Taktik, sich zu verbergen, um dann plötzlich zuzuschlagen. Sie konnten sich sehr schnell bewegen, aber sie besaßen dabei keine allzugroße Ausdauer.
    Beispielsweise konnte ein Drache niemals ein Reh bis zur Erschöpfung hetzen, selbst wenn das Reh über keine Fluchtmagie verfügte. Aber sie konnten sehr geduldig warten. Bink mußte hier unten bleiben, bis er genau hörte, wie sich der Drache entfernte.
    Der kalte Schlamm machte das lange Warten nicht eben angenehmer, zumal er von dem Dampf des Drachen völlig durchnäßt war. Außerdem war er sich nicht völlig sicher, daß der Drache wirklich noch da war. Es könnte sein, daß dies alles vergebens war und daß der Drache beim leisen Rückzug dampfend vor sich hin kicherte – Drachen konnten sich sehr leise bewegen, wenn sie nur wollten – und woanders auf die Jagd ging.
    Aber nein! Genau das war es ja, was ihn das Ungeheuer glauben machen wollte. Er wagte es nicht, hinauszuklettern oder sich auch nur zu bewegen, für den Fall, daß das Ding ihn hören könnte. Deshalb war es ja jetzt auch so still: Es lauschte. Drachen hatten sehr empfindliche Sinnesorgane; möglicherweise waren sie deswegen in den wilden Gebieten so häufig und auch so gefürchtet. Sie wußten, wie sie überleben konnten. Offenbar hatte Binks Geruch den ganzen Ort durchtränkt, so daß er jetzt nicht mehr genau zu orten war. Der Drache würde seine Kräfte nicht dabei vergeuden, das gesamte Höhlensystem aufzugraben, aber mit Hilfe seines Gehörs oder seiner Augen würde er sein Opfer schon aufspüren.
    Jetzt, da es völlig still war, begann er zu frieren. Es herrschte gerade Sommer in Xanth, und auch im Winter wurde es eigentlich nie sehr kalt, denn viele Pflanzen besaßen Hitzemagie, regelten das örtliche Wetter oder machten es sich auf andere Weise bequem und angenehm. Aber die Schlucht war nur spröde bewachsen und vom Sonnenlicht weitgehend abgeschnitten, so daß die kühle Luft darin gefangenblieb. Es hatte eine Weile gedauert, bis sich die Hitze seiner Anstrengungen verbraucht hatte, doch nun zitterte er. Er durfte aber nicht zu stark zittern! Seine Beine und Füße taten weh und verkrampften sich. Um das Maß voll zu machen, spürte er plötzlich auch noch ein Kratzen im Hals. Er war dabei, eine Erkältung zu entwickeln. Seine gegenwärtige, nicht eben gemütliche Lage würde das wohl kaum verhindern, und er konnte nicht zum Dorfarzt gehen, um sich einen Heilzauber geben zu lassen.
    Er versuchte sich abzulenken, indem er an andere Dinge dachte, doch er verspürte keinerlei Lust, sich wieder die Demütigungen seiner Kindheit vor Augen zu führen oder seine Frustration darüber, daß er ein so hübsches Mädchen wie Sabrina nicht ohne Magie halten konnte. Das erinnerte ihn an Wynne; er wäre einfach kein Mann gewesen, wenn er nicht auf ihr phantastisches Gesicht und auf ihren ebensolchen Körper reagiert hätte! Aber sie war so abgrundtief dumm, und außerdem war er sowieso schon verlobt, so daß es ihm nicht anstand, über sie nachzudenken. Sein Versuch der Selbstablenkung scheiterte; es war wohl besser, wenn er in geistigem Schweigen litt.
    Dann bemerkte er etwas Unbestimmtes. Es war schon eine ganze Weile anwesend gewesen, aber wegen seiner Sorgen hatte er es nicht bewußt wahrgenommen.
    Es war etwas Peripheres, beinahe Geistiges. Eine Art Flackern, das sofort verschwand, sobald er es direkt ansah, aus den Augenwinkeln heraus aber genau zu sehen war. Was war das? Etwas Natürliches – oder etwas Magisches? War es harmlos oder bedrohlich?
    Da erkannte er es. Es war ein Schatten! Ein halbwirklicher Geist oder ein Gespenst oder irgendein unruhiger Toter, der dazu verdammt war, in nächtlichen Schatten herumzuirren, bis seine bösen Taten gesühnt waren oder bis er selbst geläutert war. Normalerweise stellten die Schatten keine allzugroße Gefahr für die Menschen dar, weil sie bei Tag nicht hinauskommen konnten und das Licht und dichtbevölkerte Orte meiden mußten. Die meisten waren an den Ort ihres Todes gefesselt. Wie Roland Bink schon vor langer Zeit geraten hatte: »Wenn ein Schatten dich belästigen sollte, dann geh einfach von ihm fort.« Es war leicht, ihnen zu entkommen, das nannte man ›dem Schatten mitspielen‹.
    Nur wenn jemand unvorsichtig oder dumm genug war, neben der Behausung eines Schattens einzuschlafen, dann konnte erÄrger bekommen. Ein Schatten brauchte

Weitere Kostenlose Bücher