Champagner-Fonds
Langers – ja, mit wem eigentlich? Wie nennt man solche Typen, Philipp? Verbrecher? Gangster? Ganoven?«
Philipp blieb die Antwort schuldig. Sich zu prügeln gehörte nicht zu Thomas’ Gewohnheiten. Er war sportlich und ziemlich fit, aber als Schüler und auch später hatte er sich aus jeder Schlägerei herausgehalten. Den Karatekurs hatte er nach dem grünen Gürtel beendet, weil ihm zu viel Aggression in den Sport gekommen war.
»An der Entführung ist nicht Langer schuld, das war Goodhouse.Du kennst ihn nicht. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr bin ich davon überzeugt, dass er ein eiskalter Hund ist. Alles an ihm stimmt, nur die Augen nicht – und ich frage mich, wie ihn jemand als bescheiden, vertrauenswürdig und verantwortungsvoll charakterisieren kann. Das ist mir unverständlich, besonders bei seinem Beruf.«
»Kommt jetzt wieder dein Rundumschlag?«
»Nein, aber es liegt in der Natur der Sache, dass es den Bankern doch immer um mehr geht, und sie verdienen an allem, sogar an den Gefängnissen und an jeder Beerdigung, an den Lebenden wie an den Toten.«
»Wie willst du es anstellen, ohne die Banken, wenn du dir tatsächlich ein Weingut kaufen solltest?«
»Privatkredite, wir brauchen wieder Privatkredite. Ich kenne so viele Weinhändler, die könnte man am Erfolg beteiligen.«
»Wenn du Erfolg hast, dann ja. Sie müssen an dich glauben, Philipp, man muss an jemanden glauben, wenn man ihm Geld gibt. Und im Moment glaubt überhaupt keiner an dich – außer mir«, fügte er schnell hinzu.
Philipp musste lächeln. Nach einem kurzen Blick zu Thomas konzentrierte er sich jetzt besser auf die Straße. Er fuhr kaum schneller als hundert Stundenkilometer, die Autobahn führte in engen Kurven durch den dichten Tannenwald der Vulkaneifel, links irgendwo schlängelte sich die Mosel um die Hügel. Das waren Namen, die Ruhe vermittelten, und Gegenden, in denen er sich jetzt bedeutend lieber aufgehalten hätte, in der einen zum Wandern, in der anderen, um sich nach Weingütern umzusehen, die zum Verkauf standen. Er wunderte sich über seine plötzliche Zuversicht. Der Krieg hatte gerade erst begonnen. Es war der Junge an seiner Seite, der ihm Mut machte.
Eine Stunde später überquerten sie die französische Grenze, und Philipp dachte an vergangene Kriege und dass sie heute ihre Mark nicht mehr in Francs tauschen mussten,niemand verlangte nach dem Personalausweis. Am schönsten jedoch waren die Freundschaften, solche wie zu den Winzern und zu Yves – und womöglich zu Louise? Zu Yves nach Avize durften sie auf keinen Fall fahren, das »Maison Delaunay« war seinen Gegnern bekannt, und irgendwann gingen ihm seine Tricks, um Verfolger auf Motorrädern abzuschütteln, sicherlich aus. Mit Yves traf er sich am besten in Reims. In der Kathedrale war es unter den vielen Touristen am unverfänglichsten, außerdem kannte Thomas diesen Ort nicht, wo Frankreichs Könige gekrönt worden waren, aber leider nicht Henri IV., der König, den er durch Heinrich Manns gleichnamigen Roman schätzen gelernt hatte. Heinrich war ihm in seiner Bodenständigkeit sowieso näher als der berühmte Bruder Thomas.
Sich bei Louise einzuquartieren kam für Philipp überhaupt nicht infrage. Es war ihm zu indiskret. Außerdem hätte Louise es als Zustimmung zu ihren Plänen auffassen können, und nach der Enttäuschung mit Helena brauchte er einen gewissen Abstand zur Damenwelt. Zumindest für eine gewisse Zeit. Er konnte es noch immer nicht fassen, dass Helena sich zu einem derartigen Vertrauensbruch hatte verleiten lassen. Niemand gab Schlüssel, die einem im Vertrauen ausgehändigt worden waren, an andere weiter. Und außerdem hatte sie ihn gestern Abend aus dem Haus gelockt.
Kurz hinter Metz legten sie eine Pause ein. Sie parkten direkt vor dem Rasthaus und setzten sich ans Fenster, sie behielten den Wagen und die Zufahrt im Auge.
»Sie werden es nicht aufgeben«, meinte Thomas gefasst, obwohl er Angst hatte. »Sie können es gar nicht, bei dem, was wir wissen, wir bringen ihr Projekt in Gefahr, ihre Millionen. Je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir. Der Champagner-Fonds ist ein Fake, ein Betrug, ein riesiger Schwindel. Da betrügt nicht Touraine seinen Boss, da betrügt Goodhouse seine Anleger, und es wird sich in den drei oder vier Ländern um Hunderte handeln.«
Philipp beobachtete den Mercedes, der sich der Raststätte näherte. »Mir war die Sache von Anfang an nicht geheuer.«
Der Mercedes fuhr
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