Champagner-Fonds
mich in dem Beschluss nur bestärkt. Außerdem, mein Lieber«, diese Formulierung benutzte Thomas immer, wenn er sich im Recht fühlte oder seiner Sache absolut sicher war, »was hast du gemacht, he? Du hast Betriebswirtschaft studiert, dann hast du Karriere gemacht, einen Haufen Kohle verdient und hast dann dein Hobby zum Beruf gemacht. Ich spare mir deine Umwege. Ich fange gleich mit dem Weinbau an. Oder regst du dich auf, weil ich das tue, was du dich seit Jahren nicht traust? Was ist denn nun mit dem Salz?«
»Leg die Lachsfilets auf den Chicorée«, meinte Philipp entnervt, »jetzt verteilst du die gehackten Schalotten darüber, den Campagner drüber – und ab in den Ofen. Pass auf, dass der Deckel schließt.«
Philipp begann hektisch die Küche aufzuräumen, stellte wütend das Geschirr zusammen, die Teller klirrten, das Schneidebrett und das kleine Küchenmesser warf er beinahe ins Spülbecken und knallte die Tür der Spülmaschine zu.
Thomas hatte seinen Vater selten in einem derartigen Zustand erlebt. Sonst blieb Philipp ruhig und souverän, ließ sich Zeit mit einem Urteil, fragte und wog das Für und Wider genau gegeneinander ab.
»Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dass ich dir noch länger auf der Tasche liege, falls dich das beunruhigt. Als Lehrling verdiene ich mein eigenes Geld, meistens wohnt man auch auf dem Weingut. Es geht außerdem um mich und nicht um dich. Ich will ein anderes Leben, verstehst du? Ich will was Lebendiges, etwas schaffen und mich nicht nur von Zahlen ernähren. Beim Umgang mit Trash Bonds verhungert die Seele – falls man eine hat.«
Philipp winkte ab, er wollte nichts mehr hören. Er konnte sich nicht erinnern, an einem Tag jemals mit derart vielen Veränderungen konfrontiert worden zu sein, die alle fundamental in sein Leben eingriffen. Und er erinnerte sichplötzlich daran, dass Langer nicht erst heute von einem Unternehmensberater gesprochen hatte, um analysieren zu lassen, wo bei France-Import die Einsparpotentiale lagen. Hatte er nicht zugehört oder es nicht hören wollen?
Was soll ich tun?, fragte er sich. Was will ich? Was ist richtig? Soll ich alles geschehen lassen? Ich muss mich mit der Fondsgeschichte auseinandersetzen. Und einen jungen Menschen kann ich nicht zu einem Studium zwingen, das ihn abstößt. Dass Thomas unter diesen Voraussetzungen nichts mehr lernen würde, dass er sich sperrte, war klar. Da war es sinnvoller, ihn einzubinden. Ich muss ihn mit wichtigen Fragen beschäftigen, um seine Entscheidung reifen zu lassen.
Philipp lebte zu lange mit seinem Sohn zusammen, als dass dieser nicht die Gemütsregungen seines Vaters kannte. »Dass ich Winzer werden will, macht dich doch nicht so fertig. Was ist denn sonst noch passiert?«, fragte Thomas. »Im Übrigen, das wollte ich dir schon längst sagen, du bist zu viel allein, hier im Haus. Hast du etwa Angst davor, dass ich verschwinde und du vereinsamst? Tu was dagegen, schaff dir endlich wieder eine Frau an. Ich finde nicht, dass du zu alt bist«, fuhr er fort, als Philipp aufbegehren wollte. »Aber du bist zu wählerisch. Heidrun war cool, mit der hättest du zusammenbleiben sollen. Wie lange ist das jetzt her, drei Jahre? Papa, das ist ungesund.«
An anderen Tagen hätte ihm Thomas’ Bemerkung nichts ausgemacht, aber heute traf sie ihn. Thomas sagte klar seine Meinung. Wie konnte er sich beschweren, wenn er ihn dazu immer aufgefordert hatte? Er war zwar sein Sohn, aber er war mittlerweile auch ein erwachsener Mann, der sein Leben längst selbst in die Hand genommen hatte. Dass sie zusammenwohnten, was häufig von Fremden mit einem Stirnrunzeln zur Kenntnis genommen wurde, war ausschließlich der Freiheit zu verdanken, die er Thomas stets eingeräumt hatte. Und jetzt war es mit den »eingeräumtenFreiheiten« vorbei, heute nahm Thomas sie sich ganz selbstverständlich. Philipp öffnete die Champagnerflasche, als gäbe es etwas zu feiern, maß 200 cl ab und gab sie über den Fisch, den Thomas mit Olivenöl eingestrichen hatte. Der Ofen war inzwischen auf zweihundert Grad vorgeheizt.
Philipp füllte zwei hohe Gläser mit dem Champagner Philipponnat. Es war eine Cuvée aus zwei Dritteln Pinot-noir-Trauben und einem Drittel Chardonnay. Bei dem Zusatz von nur fünf Gramm Zucker galt er als Brut. Es war ein warmer, reifer Jahrgangschampagner, den er zur Probe bekommen hatte. Philipp meinte, die Aromen von Pfirsich und Aprikose wahrzunehmen, obwohl bei dem großen Pinot-noir-Anteil das Aroma roter
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