Champagner-Fonds
mit der Spannung, die sich zwischen ihnen bei jedem Zusammentreffen weiter aufbaute, schlecht umgehen zu können und wurde nervös.
Einen souveränen Eindruck mache ich nicht gerade, dachte Philipp beschämt, als er sich glücklicherweise an Thomas’ neueste Idee erinnerte. »Hätten Sie vielleicht später Zeit für ein kurzes Gespräch? Ich möchte Sie um einen Rat bitten.«
Helena Schillings Erstaunen war echt. »Einen Rat – wieso von mir?«
»Es hat mit Ihrem familiären Hintergrund zu tun – und mit meinem Sohn.«
»Sie haben einen Sohn?«
»Was ist daran so erstaunlich? Sie haben doch auch Kinder?«
»Doch, doch«, beeilte sie sich zu antworten, »zwei Töchter ...«
»Frau Schilling!« Das war der energische Ruf von Langer aus dem Chefzimmer, und sie beeilte sich, ihm nachzukommen, und sprang auf. »Nachher, ja? Später ...?«
Philipp ging mit dem Champagnerprospekt in der Hand in sein Büro und warf ihn auf den Schreibtisch. Das war nicht der Prospekt, mit dem er gerechnet hatte. Es warnichts weiter als eine gut gemachte Broschüre mit schönen Bildern von gut aussehenden Fotomodellen. Dazwischen eingestreut fanden sich allerdings auch Fotos der Champagne, aus Aube und Bar-sur-Seine, aus Château-Thierry und Épernay und von Leuten, die er persönlich kannte. Auch die Kathedrale von Reims fehlte nicht. Aber er wollte wissen, wie Geschäftsführung und Kontrolle funktionierten, wer zum Beirat gehörte, was die Grundlagen für die Besteuerung waren und was es sonst zu beachten gab. Wer würde in ihrem Fall auf der Seite des Fonds der Ansprechpartner sein? Langer musste das wissen, denn jemand hatte ihn angesprochen und ihm die technische Abwicklung angetragen. Weshalb verheimlichte er ihm das, wenn er ihn, wie angekündigt, sogar zum Teilhaber machen wollte?
5
Die nächsten Tage verbrachte Philipp mit Reisevorbereitungen. Er fragte bei einigen der im Prospekt erwähnten Winzern an, ob sie ihn empfangen würden, und reservierte ein Zimmer. Am liebsten übernachtete er auf Weingütern. Das erleichterte den persönlichen Kontakt, und in den Jahren seiner Tätigkeit hatte es mit einigen Winzern und Önologen zu einem beinahe herzlichen Verhältnis geführt. Er kam zufällig an, wenn Geburtstag gefeiert oder ein Kind getauft wurde, er musste die Abreise verschieben, als René, der Kellermeister von Baudrillard, vom Tank gefallen war und sich den Arm und ein Bein gebrochen hatte. Während des Aufenthalts auf der Domaine des Terres Rouges im Burgund wurde er Zeuge eines riesigen Krachs, weil der verwirrte Großvater des Vorbesitzers den Arbeitern abstruse Anweisungen gab. Auf einem anderen Weingut war die Tochter erst morgens um fünf Uhr nach Hause gekommen, und der Sohn eines Gascogner Winzers hatte sich geweigert, im väterlichen Betrieb mitzuarbeiten, und sich in einen Ashram nach Goa verzogen.
Das alles bekam Philipp nebenbei mit, und es machte die Menschen, deren Weine er kaufte, in vielem verständlicher. Beim Wein und bei einem guten Mittagessen, das über Gebühr ausgedehnt wurde, sodass der Nachmittag in Hektik ausartete, oder beim Abendessen, bei dem man bis tief in die Nacht probierte und diskutierte, kam man sich unweigerlichnäher. Als Folge davon erfuhr Philipp vieles, was sich weder den Einkäufern der großen Importeure noch Klaus Langer offenbarte.
Zu den Reisevorbereitungen zählte auch das intensive Studium des Wirtschafts- und Finanzteils diverser Zeitungen. Er brauchte Zahlen und Fakten, um sich seine Meinung zu bilden, als ehemaliger Betriebswirt konnte er auf die Kommentare zwischen den Zeilen und die Bewertung getrost verzichten. Er gewann den Eindruck, dass es den Autoren weniger um Aufklärung ging als darum, mit Hilfe einer unverständlichen Sprache eine Mauer zwischen der Bankenwelt und den dummen, gierigen Anlegern zu bauen, die den Banken ihr Geld zur Vermehrung brachten.
In Geldangelegenheiten bewegte sich Philipp äußerst vorsichtig. Für ihn stand im Vordergrund, was er brauchte – und nicht das, was andere meinten, ihm verkaufen zu müssen. Das mochte einer der Gründe sein, weshalb Philipp jetzt mehr als sonst daran gelegen war, dass Langer keine Fehlentscheidungen traf. Es gab genügend andere Firmen, die den Markt als eine Art Gefechtsfeld sahen mit einer Verkaufsfront in der Mitte. Wer so sprach, betrachtete den Konkurrenten als Feind, das Wirtschaften als Krieg und den Kunden als Gegner.
Als »konservativ« kritisierte Philipps offizielle
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