Champagner-Fonds
»Bankberaterin«, die wohl mehr den Interessen ihres Arbeitgebers diente als den seinen, sein Verhalten. Aus dem Munde dieser Dame klang sogar die Bewertung einer Anlagestrategie als »werterhaltend« schlichtweg abfällig. Philipp ging ein Rat nicht aus dem Kopf, den ihm ein Bankdirektor gegeben hatte, sozusagen als Gegenleistung für die Beschaffung seltener Jahrgangschampagner. »Alles über acht Prozent Zinsen ist Betrug. Und setzen Sie nur das ein, was Sie ohne Schmerzen verlieren können.«
Philipp brannte darauf zu erfahren, was Hellwege, der Prokurist, von Langers Plänen hielt. Angeblich hatte Langermit ihm noch nicht darüber gesprochen, aber das glaubte Philipp jetzt nicht mehr. Spielte Langer sie gegeneinander aus? Zog er diesen oder jenen Mitarbeiter ins Vertrauen und übertrug dem einen Macht, dem anderen nicht? Was versprach sich Langer davon?
Ob sich Hellwege ihm noch immer verpflichtet fühlte? Philipp hatte damals die Prokura abgelehnt, Hellwege hatte davon gewusst und sie angenommen. Wusste er auch von dem Unternehmensberater? In Finanzangelegenheiten sah Hellwege ziemlich klar, er war der »Rechner«, wie ihn manche Kollegen nannten. Spräche Philipp ihn an, liefe er natürlich das Risiko, dass Langer davon erfuhr. Aber seit Langer, Thomas und Helena seine Welt auf den Kopf stellten, war alles mit einem Risiko behaftet.
Helena koordinierte Langers Termine, lernte seine Gesprächspartner kennen und schrieb seine Aktennotizen, auch wenn sie kaum eingearbeitet war. Sie wusste, mit wem Langer neuerdings Umgang pflegte. Aber um mit ihr darüber zu sprechen, war es zu früh.
Philipp und Helena kamen sich täglich ein wenig näher, und gleichzeitig waren sie peinlich darauf bedacht, dass niemand in ihrem Umfeld etwas von ihrer Zuneigung bemerkte. Morgens suchten beide eine Gelegenheit, sich zu begrüßen, und ihr Händedruck dauerte etwas zu lang. Philipp hatte ihr gezeigt, wo man mittags gut und günstig essen konnte, und sie begleitet. Statt das Telefon zu benutzen, tauschten sie Informationen mündlich aus, was ihnen einen Moment für ein persönliches Wort und einen Blick verschaffte. Wenn er ihren Schritt hin zum Fotokopiergerät hörte, hatte auch er eine Kopie zu machen, und nach Feierabend blieben beide länger – Philipp, um angeblich seine Reise vorzubereiten, und sie, um sich einzuarbeiten. Dahinter stand ihr ganz privates Interesse aneinander. Er wusste nicht, ob sie einen Freund hatte, aber niemand holte sie ab, und wenn jemand auf sie gewartet hätte, wäre sie dann solange geblieben? Gestern, auf dem Parkplatz, hatte Philipp sich nach ihr umgedreht, und sie hatte ihm nachgeschaut. Beide hatten gewinkt – und gelacht, sie hatten sich ertappt gefühlt. Jetzt kam es darauf an, wie man sich weiter annähern würde. Langsam, vorsichtig, nichts überstürzen, niemand hat es eilig, sagte sich Philipp. Es war gut, dass er für einige Zeit verreisen und Abstand gewinnen würde.
Thomas hatte sofort spitzgekriegt, was ablief, und ihn direkt darauf angesprochen, als er sich in den Garten gesetzt und vor sich hin geträumt hatte, ohne zu bemerken, was an den Gemüsebeeten zu tun war. An dem Tag hatte Helena ihn und sein Fahrrad nach Hause gebracht. Das Wetter war in diesem Frühjahr grässlich. Regen, Sonne, Schauer, Gewitter, dann wieder feuchte Hitze, das Klima war am Rhein sowieso nicht besonders gesund. Thomas war gerade dabei, das Gartentor zu öffnen, um den Volvo in die Garage zu setzen, er hatte angehalten, war ausgestiegen und hatte beim Ausladen des Fahrrades zugesehen.
»Deine neue Bekannte?«, hatte er gefragt, als Philipp das Rad in die Garage brachte, wobei Thomas breit gegrinst und das lächerliche Wort ›Bekannte‹ genüsslich in die Länge gezogen hatte. »Sieht für ihr Alter ziemlich gut aus. Passt zu dir.«
Als er für den provokanten Spruch nicht einmal einen bösen Blick erntete, wusste er Bescheid. Später, in der Küche, sprach er Philipp darauf an.
Philipp wiegelte ab, meinte, dass er Langers neue Sekretärin wohl sehr schick fände, aber es sei nichts Ernstes. Davon, wie sehr Helena ihn durcheinanderbrachte, sagte er nichts und wechselte rasch das Thema: »Was hast du über Fonds rausbekommen?«
»Fast alles. Du findest es im Internet. Das beste Lexikon über Anlagen und Börse hat die ARD. Ich habe sogar einen Musterentwurf für einen Weinfonds gefunden ...«
Bis weit nach Mitternacht saßen sie an Thomas’ Schreibtisch, der Sohn vor dem stationären
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