Champagner-Fonds
Chemikalien und ist außerdem nicht besonders gesund, weder für die Arbeiter noch für die Bodenflora. Glücklicherweise bekommen wir vom CIVC korrekte Wettermeldungen. Danach können wir uns richten. Aber wenn wir Schaumwein in Gegenden mit besserem Wetter produzieren würden, hätten wir weder den kalkhaltigen Boden noch das Mineralische, die besondere Ausprägung der Trauben und weniger Säure. Und gerade die macht den Champagner so spritzig.«
Die Erklärungen von Madame Louise während des Rundgangs hatten Philipp ihre profunde Kenntnis des Weinbaus und der Kellerwirtschaft gezeigt. Da drängte sich die Frage auf, woher sie diese Kenntnis hatte.
»Wir sind Winzer in der sechsten Generation. Wenn eine Generation mit dreißig Jahren gerechnet wird, dann – ja, eigentlich in der siebten. Ich lernte vom Großvater, vom Vater, von meinem früheren Mann allerdings nicht, der war nicht von hier.«
»Sind Sie geschieden ...?« Es war eine Frage, die Philipp bereits seit dem Moment beschäftigte, da er Madame am Band hatte stehen sehen.
»Nein, er ist tot. Ein Autounfall, ein Frontalzusammenstoßmit einem Lastwagen auf einer unserer wunderbar unübersichtlichen Landstraßen, wo Sie nie überholen können oder dürfen.«
»Er war allein im Wagen?«
»Gott sei Dank, ja. Er war auf dem Weg, unsere Mädchen aus den Ferien zu holen. Ich habe es mir nie vorgestellt, dass er sie im Wagen gehabt hätte. Haben Sie Kinder?«
»Ja, einen Sohn, er studiert – Betriebswirtschaft – aber er will nicht mehr. Er will Winzer werden.«
» Mon Dieu
, weiß er, was auf ihn zukommt?«
Sie lachten zusammen das Lachen derer, die sich verstanden, es war komplizenhaft.
»Ihre Töchter sind noch nicht erwachsen?«
»Sie glauben es, Monsieur, Sie werden sie kennenlernen, hoffe ich. Sie bleiben doch noch ein Weilchen?« Jetzt wirkte sie fast in wenig besorgt. »Wir veranstalten am Sonnabend ein kleines Fest. Meine wichtigsten Importeure kommen – der aus der Schweiz – ach nein, der hat abgesagt, aber der aus Belgien wird da sein, unser Brite kommt, der Holländer ...«
»Und wer kommt aus Deutschland?«
Sie lächelte vielsagend. »Sie vielleicht, Monsieur Achenbach?«
Wollte sie testen, ob er in die Runde ihrer Importeure passte? »Ich glaube, Sie verstehen eine ganze Menge von Menschen, nicht wahr, Madame? Sie werden über Geschäfte reden?«
»Und ich glaube, dass Sie nicht immer alles richtig verstehen, oder? Vielleicht freue ich mich einfach über Ihre Gesellschaft.«
»Dann verschieben wir die Verkostung auf morgen? Ich nehme an, Sie werden alle Ihre Champagner dort haben.«
»Sie erraten es. Und auch das, was nicht zum Verkauf steht. Gedulden Sie sich.«
Das würde er tun; nur eine Frage wollte er vor seinemAufbruch noch stellen. »Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten. Können Sie für mich etwas herausfinden?« Ohne auf ihre Zustimmung zu warten, fuhr er fort. »Ich habe mit einem Monsieur Touraine zu tun, und ich hätte gern, bevor ich mit ihm Geschäfte mache, einiges über ihn gewusst. Können Sie den einen oder anderen Kollegen fragen?«
»Das bedeutet, dass Sie dem Mann nicht vertrauen?«
»Ich bin im Zweifel. Gérard heißt er mit Vornamen.«
»Gérard Touraine? Jemand mit diesem Namen war vor zwei Jahren bei mir, er wollte eine größere Partie von unserer Sélection Grand Cru Extra Brut kaufen.«
»Und?« Philipp horchte auf. »Kam das Geschäft zustande?«
»Nein, ich habe mich rausgeredet. Er hatte unrealistische Preisvorstellungen. Es gibt Menschen, mit denen verbindet einen wenig, und da mein Champagner sehr gut ist, kann ich es mir leisten, mir die Kunden auszusuchen.«
»In der jetzigen Lage auch?«
»An Preissenkungen sind wir im Gegensatz zu den Großen bislang vorbeigekommen.«
»Und wer kocht bei dem Fest? Lassen Sie das Essen bringen?«
»Ich selbstverständlich«, empörte sich Madame Louise, »allerdings habe ich Hilfe dabei.«
»Ihre Töchter?«
Sie winkte ab. »Wo denken Sie hin. Die haben Besseres zu tun.«
»Dann könnte ich Ihnen beim Zwiebelschälen zur Hand gehen?« Philipp vermisste die abendliche Entspannung am Herd, wenn er unterwegs war. Und er hatte Lust, das charmante Geplänkel fortzusetzen. Außerdem fühlte er sich leichter und freier, wenn er Französisch sprach. Ein anderer Teil seines Wesens wurde lebendig, es ließen sich Dinge sagen, die er sich im Deutschen nicht gestattete, mit Doppeldeutigkeiten war leichter umzugehen, und den Klang desFranzösischen
Weitere Kostenlose Bücher