Champagner und Stilettos
Patientinnen, die aus allen Schichten der Gesellschaft kamen und aus den unterschiedlichsten Gründen in der Klinik gelandet waren, aber alle eine speziell ihnen angepasste Diät benötigten.
Das Koffein tat seine Wirkung, und Brooke brachte ihre letzten drei Termine schnell und effizient hinter sich. Sie hatte den Kittel gerade mit Jeans und Pullover vertauscht, als ihre Kollegin Rebecca im Pausenraum erschien und ihr ausrichtetete, dass ihre Chefin sie sprechen wolle.
»Jetzt?« Brooke sah ihren Feierabend schon zerbröseln.
Die Dienstage und Donnerstage waren ihr heilig: Es waren die einzigen Tage, wo sie nach der Klinik nicht zu ihrem zweiten Job an der Huntley Academy hetzen musste, einer der elitärsten Mädchenschulen an der Upper East Side. Die Eltern einer ehemaligen Schülerin, die mit Mitte zwanzig an Magersucht gestorben war, hatten einen Fonds eingerichtet, mit dem eine Ernährungswissenschaftlerin bezahlt werden konnte, die die Mädchen zwanzig Stunden die Woche in Sachen Gesundheit und Körpergefühl beriet. Brooke war erst die Zweite in dieser Position, und obwohl sie den Job zuerst nur zur Aufstockung ihres Einkommens angenommen hatte, waren ihr die Mädchen mehr und mehr ans Herz gewachsen. Natürlich gingen ihr die Wut, der Selbsthass, die Fixierung aufs Essen manchmal gehörig auf die Nerven, aber sie versuchte, nie aus den Augen zu verlieren, dass ihre jungen Patientinnen es eben nicht besser wussten. Außerdem war es eine Chance, berufliche Erfahrung im Umgang mit Jugendlichen zu sammeln.
Dienstags und donnerstags arbeitete sie nur an der Uniklinik, von neun bis sechs. An den anderen drei Wochentagen ging ihre Schicht von sieben bis drei, dann sprang sie in die U-Bahn, musste zweimal umsteigen und das letzte Stück mit dem Bus bis zur Huntley fahren, wo sie bis kurz vor sieben Gespräche mit den Schülerinnen und manchmal auch mit deren Eltern führte. Egal, wie früh sie ins Bett ging, egal, wie viel Kaffee sie in sich hineinschüttete, sie war ständig müde. Ihre Doppelanstellung war eine große Belastung, doch sie hatte sich ausgerechnet, dass sie nur noch ein Jahr durchzuhalten brauchte, um dann mit ausreichender Berufserfahrung ihre eigene Praxis für prä- und postnatale Ernährungsberatung zu eröffnen – ein Ziel, auf das sie seit dem ersten Tag ihres Studiums fleißig und strebsam hingearbeitet hatte.
Rebecca nickte mitfühlend. »Du sollst kurz bei ihr reinschauen, bevor du gehst.«
Brooke packte schnell ihre Sachen zusammen und kehrte zurück auf die Station.
»Margaret?« Sie klopfte an die Bürotür. »Rebecca sagt, Sie wollten mich sprechen?«
»Hereinspaziert, hereinspaziert«, rief ihre Chefin und schob ein paar Papiere auf ihrem Schreibtisch zusammen. »Tut mir leid, dass ich Sie aufhalte, aber ich denke, für gute Nachrichten ist immer Zeit.«
Brooke sank in den Besucherstuhl und wartete.
»Also, ich habe die Patientenumfragen ausgewertet, und es freut mich, Ihnen sagen zu können, dass Sie die besten Bewertungen der gesamten Belegschaft erzielt haben.«
»Tatsächlich?« Die Beste von sieben? Brooke konnte es kaum glauben.
»Und zwar mit Abstand.« Margaret trug zerstreut eine Schicht Lippenbalsam auf, drückte ein paar Mal die Lippen zusammen und warf einen Blick in die Unterlagen. »Einundneunzig Prozent Ihrer Patientinnen haben Ihre Beratungen mit ›ausgezeichnet‹ bewertet und die übrigen neun Prozent sämtlich mit ›gut‹. Die Nächstbeste hat zu zweiundachtzig Prozent ›ausgezeichnet‹.«
»Wow.« Brooke strahlte. Sie versuchte erst gar nicht, sich bescheiden zu geben. »Das freut mich aber.«
»Uns auch, Brooke, uns auch. Darum wollte ich Sie wissen lassen, dass Ihre Leistungen nicht unbemerkt geblieben sind. Sie werden auch weiterhin Fälle auf der Intensivstation zu betreuen haben, doch ab nächster Woche werden wir Sie statt in der Psychiatrie verstärkt auf der Mutter-Kind-Station einsetzen. Ich nehme an, das ist in Ihrem Sinne?«
»Und wie!« Brooke nickte.
»Wie Sie wissen, sind Sie keineswegs die Dienstälteste auf der Station, aber niemand hat Ihren Ausbildungs- und Erfahrungshintergrund. Ich denke, Sie sind für die Beratung von Wöchnerinnen bestens geeignet.«
Brooke grinste über das ganze Gesicht. Endlich zahlten sich der Zusatzkurs in Kleinkind- und Neugeborenenernährung und ihr Praktikum auf der Kinderstation aus. »Margaret, ich kann Ihnen gar nicht genug danken. Das ist wirklich die schönste Nachricht überhaupt.«
Ihre
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