Champagner und Stilettos
mitten in die Tour von Maroon 5 ein. Ihre erste Vorgruppe ist ausgefallen, weil der Leadsänger einen Schwächeanfall hatte. Also hat Leo ein paar Strippen gezogen, und jetzt darfst du dreimal raten, wer wohl in die Lücke gerutscht ist. Anscheinend besteht sogar die Chance, als zweite Vorgruppe übernommen zu werden, falls die jetzige getrennt auf Tour geht, aber auch wenn daraus nichts wird, ist das natürlich eine Bombenwerbung für mich.«
»Toll, Julian, gratuliere!« Brooke versuchte, begeistert zu klingen und sich nicht anmerken zu lassen, wie entsetzt sie war. Aber so, wie ihre Mutter sie anstarrte, schien ihr das nicht unbedingt zu gelingen.
»Ja, ist echt irre. Wir werden die Woche jetzt noch durchproben, und dann geht’s los. Die Platte kommt irgendwann in den ersten Tourwochen raus, ein Spitzentiming. Und weißt du was, Rook? Da springt richtig Geld bei raus.«
»Ach ja?«
»Ein fester Prozentsatz auf alle Ticketverkäufe, der noch höher ausfällt, falls wir die zweite Vorgruppe werden. Und Maroon 5 haben überall ausverkaufte Hallen … Es geht da echt um Wahnsinnssummen. Und noch was.« Er senkte die Stimme. »Ich werde dauernd angestarrt. Als ob mich die Leute wiedererkennen.«
Die Fußpflegerin verteilte eine angewärmte Creme auf Brookes Waden und fing an, sie durchzukneten. Am liebsten hätte Brooke das Gespräch abgebrochen, sich zurückgelehnt und sich ganz der Massage hingegeben. Sie empfand nichts als unbestimmte Befürchtungen. Eigentlich hätte sie wohl nach den Fans und dem Pressetrubel fragen sollen, aber alles, was ihr einfiel, war: »Die Proben fangen also schon diese Woche an? Nimmst du denn nicht den Nachtflug zurück? Ich dachte, ich sehe dich morgen früh vor der Arbeit.«
»Brooke.«
»Was?«
»Lass das bitte.«
»Was? Fragen, wann du nach Hause kommst?«
»Bitte mach mir das nicht kaputt. Ich freue mich so, ich bin so unglaublich glücklich – das ist das Grandioseste, was mir seit dem Plattenvertrag letztes Jahr passiert ist. Meine Karriere könnte von diesem gigantischen Glücksfall enorm profitieren. Was kommt es da auf ein paar Tage mehr oder weniger an?«
Ein paar Tage wären ja noch ganz okay, aber was war mit der Konzerttour? Allein schon der Gedanke daran löste Panik in ihr aus. Wie würden sie damit zurechtkommen? Doch dann erinnerte sie sich an den Abend in Sheepshead Bay vor einigen Jahren, als nur vier Leute zu seinem Auftritt erschienen waren und Julian kaum die Tränen zurückhalten konnte. An all die Stunden, die sie wegen ihrer hektischen Terminpläne früher ohnehin schon getrennt gewesen waren. An die Geldsorgen, die Zeitnot, die Zweifel, die sie überkommen hatten. An all die vielen Opfer, die sie nur für diesen Erfolg gebracht hatten.
Der Julian von früher hätte sich nach Kaylie erkundigt. Nach deren panischem Anruf vor einem Monat hatte Brooke dem Mädchen gesunde Fastfood-Alternativen gemailt, und als sie Julian damals davon erzählte, hatte er sie in den Arm genommen und ihr gesagt, wie stolz er auf sie war. Auf eine Mail in der letzten Woche hatte Brooke von ihrer jungen Patientin zunächst keine Antwort bekommen. Erst auf ihre besorgte Nachfrage am nächsten Tag hatte Kaylie ihr zurückgeschrieben, sie mache jetzt eine Entschlackungskur, von der sie in einer Zeitschrift gelesen hätte, und sie sei überzeugt, die Lösung für all ihre Probleme gefunden zu haben. Brooke wäre fast durch den Bildschirm gesprungen.
Diese verdammten Entschlackungskuren! Sie waren schon für normale Erwachsene riskant, aber für die stetig steigende Zahl von Teenagern, die den schnellen Erfolg suchten und sich durch die Promi-Werbung angezogen fühlten, waren sie die reinste Katastrophe. Brooke hatte Kaylie sofort angerufen und ihr eine Standpauke gehalten – den Text dafür konnte sie aus dem Ärmel schütteln, nachdem Entschlackungskuren, Nulldiäten und Saftfasten an der Huntley so beliebt waren –, und zu ihrer Erleichterung hatte sich Kaylie, anders als ihre Mitschülerinnen, ihre Vorhaltungen tatsächlich zu Herzen genommen und ihr versprochen, sich während der restlichen Sommerferien einmal die Woche bei ihr zu melden. Brooke war einigermaßen zuversichtlich, ihr helfen zu können, sobald sie im neuen Schuljahr wieder regelmäßig in ihre Beratung kam.
Aber Julian erkundigte sich weder nach Kaylie noch nach ihrer Arbeit in der Klinik noch nach Randy. Und obwohl er sie nicht mal fragte, wie es Walter ging, hielt Brooke ihre Zunge im Zaum. Sie
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