Champagner und Stilettos

Lilien ein, ein Genuss, der genau zehn Sekunden anhielt, bevor Zweifel über sie hereinbrachen. Wieso hatte er Brooke geschrieben, wo er sie doch immer Rookie nannte, vor allem wenn es ein Liebesgruß sein sollte? Wollte er sich mit dem Strauß dafür entschuldigen, dass er die letzten Wochen so rücksichtslos gewesen war? Wieso hatte er das dann nicht geschrieben? Wie konnte jemand, der sich so viel auf seine Wortgewandtheit zugutehielt und seine eigenen Songtexte verfasste, so eine abgedroschene Formel wählen? Und vor allem, wieso schickte er ihr seinen allerersten Strauß ausgerechnet jetzt? Sie wusste doch, dass er von solchen Blumengrüßen nichts hielt. Seiner Meinung nach waren sie nichts weiter als eine überteuerte, klischeehafte Krücke für Leute, die ihre Gefühle nicht adäquat ausdrücken konnten. Ganz zu schweigen davon, dass die Dinger schnell verwelkten und deshalb als Symbol nicht viel taugten. Brooke hatte nichts gegen Blumen, aber sie verstand, was er meinte, und sie schätzte die ihr zugedachten Briefe, Lieder und Gedichte, für die er sich früher immer so viel Zeit genommen hatte. Was also verbarg sich hinter diesem ominösen »Zähle die Tage«?
    Walter stupste sie ans Knie und jaulte kläglich.
    »Warum kann dein Daddy nicht mit dir Gassi gehen?« Brooke nahm ihn an die Leine und ging mit ihm hinaus. »Ach, ich weiß, weil er ja nie da ist!« Trotz ihres schlechten Gewissens, ihn so lange allein gelassen zu haben, zerrte sie den Hund sofort wieder ins Haus, nachdem er sein Geschäft verrichtet hatte, und bestach ihn mit einer Extraportion Hundefutter und einer extradicken Möhre zum Nachtisch. Sie las sich die Karte noch zweimal durch und deponierte sie nachdenklich im Mülleimer, nur um sie in der nächsten Sekunde wieder herauszufischen. Es war vielleicht nicht das Genialste, was Julian je geschrieben hatte, aber immerhin war es doch eine Geste.
    Während sie seine Handynummer wählte, überlegte sie sich schon, was sie ihm sagen würde, aber es sprang sofort die Mailbox an.
    »Hey, ich bin’s. Ich bin gerade nach Hause gekommen und hab die Blumen gefunden. Gott, sie sind … unglaublich. Mir fehlen die Worte.« Wenigstens bist du ehrlich , dachte sie. Sollte sie ihn noch bitten, sie zurückzurufen? Aber plötzlich schien ihr das alles zu mühsam. »Also dann, gute Nacht, Schatz, bis bald.«
    Brooke füllte die Wanne mit dem heißesten Wasser, das sie aushalten konnte, schnappte sich die neue Last Night , die heute mit der Post gekommen war, und ließ sich vorsichtig in ihr Schaumbad gleiten. Es dauerte ein paar Minuten, bis sie es schaffte, ganz einzutauchen. Sobald der Schaum über ihre Schultern schwappte, seufzte sie erleichtert auf. Gott sei Dank ist dieser Tag vorbei.
    In den Zeiten VOR DEM FOTO gab es nichts Schöneres, als sich mit einer druckfrischen Last Night in die Badewanne zu legen. In der Zeit SEIT DEM FOTO befielen sie immer vage Ängste, was sie wohl diesmal wieder in der Zeitschrift entdecken würde, aber alte Gewohnheiten ließen sich nicht so leicht abschütteln. Sie blätterte die ersten Seiten durch und wunderte sich, dass sich so viele verheiratete Prominente nicht entblödeten, Einzelheiten über ihre Beziehung preiszugeben, wie: »Wie wir unsere Ehe sexy halten? Er bringt mir sonntags immer das Frühstück ans Bett, und das würdige ich dann entsprechend «, oder: »Was soll ich sagen? Bei so einer heißen Frau!« Die Seiten, auf denen Stars bei »normalen« Beschäftigungen gezeigt wurden, waren stinklangweilig: Dakota Fanning beim Shoppen, Kate Hudson am Arm ihres Beau du jour, Cameron Diaz beim Zurechtzupfen ihres Bikinihöschens, Tori Spelling mit einem blonden Kind auf dem Arm beim Betreten eines Friseursalons. Es gab eine halbwegs interessante Doppelseite über Kinderstars aus den Achtzigern und was aus ihnen geworden ist. Aber als sie den Mittelteil aufschlug, stockte ihr der Atem. Die mehrseitige Fotostrecke, die mit »Musik zum Abheben« übertitelt war, zeigte ein halbes Dutzend bekannter Künstler. John Mayer, Gavin DeGraw, Colbie Caillat, Jack Johnson – sie blätterte hastig um –, Bon Iver, Ben Harper, Wilco. Nichts … Aber da! Oh Gott! Unten auf der vierten Seite das grässliche Foto von Julian und Layla Lawson und in grellen lila Lettern die Bildunterschrift: WER IST JULIAN ALTER ? Das Foto nahm die obere Hälfte eines gelben Kastens ein, darunter mehrere Spalten Text. Ach herrje , dachte Brooke. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Einerseits