Champagnerkuesschen
Gute Frau!
Katja zögert. Okay, Sergej kommt nicht – jetzt liegt es an mir!
„Nein ...“, rufe ich dazwischen. „Sie ist sich überhaupt nicht sicher, und ihr Freund weiß auch nichts davon.“ Jetzt ist es raus. Der Ärztin fällt vor Schreck der Kugelschreiber aus der Hand. Die junge Krankenschwester kichert hysterisch. Katja wird feuerrot.
„Sag mal, Julia, bist du jetzt völlig durchgeknallt“, schnauzt mich Katja an. „Du kannst dich doch nicht einfach in meine Privatangelegenheit einmischen. Das hier ist meine Entscheidung. Ich sag dir doch auch nicht, was du zu tun hast.“
„Tust du doch“, widerspreche ich. „Du sagst mir ständig, was ich zu tun habe. Du hast mich zu dieser Diät gezwungen.“
„Waaas!“ Katja baut sich vor mir auf. „Du wolltest doch abnehmen. Du hast mir die Ohren mit deinem Gewicht vollgejammert. Du bist diejenige, die Benni eifersüchtig machen will.“
Wow! Katja ist so richtig in Fahrt. Die Ärztin steht mit betretener Miene daneben. Die Krankenschwester ist ins Nebenzimmer geflüchtet. Wenigstens hat Katja für einen Moment vergessen, warum wir eigentlich hier sind.
„Und du willst meine Freundin sein? Das hätte ich nie von dir gedacht, dass du mir deine Diät zum Vorwurf machen würdest“, schimpft Katja noch immer.
„Meine Damen ...“, startet die Ärztin einen hilflosen Versuch, Katjas Tiraden zu unterbrechen.
„... ich dachte, dass du mich unterstützt, schließlich fällt mir die Sache schon schwer genug ...“
„Du willst also gar nicht abtreiben?“, schreie ich Katja an.
„Doch – nein!“, rutscht es meiner sonst so beherrschten Freundin heraus.
„Ha!“, rufen die Ärztin und ich wie aus einem Munde.
Katja öffnet den Mund und macht ihn gleich wieder zu. Hilflos hebt sie die Arme. „Ich weiß ja auch nicht, was ich machen soll“, schluchzt sie.
In diesem Moment geht die Tür mit einem Schlag auf. Vor uns steht Sergej, mit düsterer Miene und verschwitztem Hemd.
„Katjaa!“ Mit einem Urschrei stürzt sich Sergej wie ein russischer Bär auf die heulende Katja. „Bin ich zu spät?“
Katja schüttelt den Kopf und fällt Sergej im gleichen Atemzug um den Hals.
„Sergejjjjj!“, schluchzt sie. „Wieso bist du hier?“ Die Tränen laufen ihr die Wangen herunter und tropfen auf den grauen Linoleumboden.
„Julia hat mich angerufen und mir erzählt, was du vorhast.“ Er nimmt Katjas Kopf zwischen seine Hände und küsst ihre Tränen weg. „Du Dummerchän, wie konntest du nur denken, dass ich das Kind nicht will?“ Er sieht sie mit seinen Dackelaugen an. „Du bist die Liebä meines Läbens.“
Okay, an der Aussprache muss der gute Sergej noch arbeiten. Trotzdem schießen mir die Tränen in die Augen bei dem Anblick von so viel Liebe.
„Aber ... aber, meine Arbeit und deine Firma ... wie ... wie soll das klappen, wenn wir ... wir ein Baby haben?“, schnieft Katja.
„Mein kleines Wildkätzchän, mein Dummerchän. Mach dir darüber keine Sorgän. Ich habe da schon eine Idee, wie wir das Problem lösän.“ Sergej streicht Katja mit seiner riesigen Pranke übers Haar. „Komm nach Hause und lass uns in Ruhe darüber redän.“
Die Ärztin räuspert sich verlegen. „Äh ... gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie die Abtreibung nicht mehr möchten?“
„Sie gehen richtig in der Annahme“, antworte ich, bevor es Katja tun kann.
Sergej nickt.
Katja schluchzt vor Glück. Ihre Augen funkeln glücklich unter Tränen. Ich bin mir sicher, dass es diesmal Freudentränen sind.
„Jetzt feiern wir mein Baby und die tollste Frau auf der Welt“, sagt Sergej. Sanft umschlingt er Katjas Taille und hebt sie hoch.
„Huch“, quietscht Katja. Vor den Augen der Ärztin trägt Sergej Katja auf seinen Armen aus dem Raum.
Draußen empfangen uns erstaunte Blicke der übrigen Patientinnen.
Ein leises „Oh Gott“ ist zu hören. Das Pärchen tuschelt hinter vorgehaltener Hand.
„Wir bekommen ein Baby“, schluchzt Katja und schmiegt sich glücklich an Sergejs Schulter.
Ich gebe mich dem Glücksgefühl, etwas in meinem Leben richtig gemacht zu haben, hin und fange ebenfalls an zu weinen. Ich wünschte, Benni wäre hier.
Ich habe ein hohles Gefühl im Bauch. So eines, das man nur bekommt, wenn das vegetative Nervensystem die Regie über den eigenen Körper übernommen hat. Gleichzeitig ploppt die Frage in meinem Kopf auf: Was läuft schief in meinem Leben?
Hier bin ich: Julia Zoe Löhmer. Mein Leben lang habe ich davon
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