Champagnerkuesschen
Ansicht bin, ein technisches Gerät sollte sich dem Benutzer von ganz alleine erschließen, ansonsten handelt es sich um eine Fehlkonstruktion.
Aber hier geht es schließlich um mein Gewicht, da kann ich mir keine Fehlmessungen leisten. Also folge ich dieses Mal der Bedienungsanleitung. Soweit ist alles richtig! Als mich die Waage diesmal auffordert, mit der Messung zu beginnen, habe ich Herzklopfen. Irgendwie albern, ich weiß. Trotzdem klopft mein Herz.
Ob es vielleicht besser wäre, meine Unterwäsche auszuziehen? Ich trage immerhin einen Push-up-BH und einen Stringtanga. Ach was, ich ziehe einfach vom Endergebnis dreihundert Gramm ab.
Ich steige erneut auf die kalte Platte und halte die Luft an.
Blink ...
Blink ...
Blink ...
Waaaas?!
Fassungslos starre ich auf das Ergebnis. Seit ich mich das letzte Mal vor knapp einem halben Jahr gewogen habe, sind drei Kilo dazugekommen. Als dann noch das Ergebnis der Fettanalyse vor meinen Augen auftaucht, fange ich fast zu weinen an. Frustriert steige ich von der Waage.
Bisher habe ich mein leichtes Übergewicht immer auf meine schweren Knochen geschoben, aber das Ergebnis dieser Fettanalyse lässt mich zweifeln. Ich greife zum Telefon und wähle Katjas Nummer.
„Völkers“, meldet sich Katja geschäftsmäßig.
„IchhabedreiKilozugenommenundmeinFettanteilistvielzuhoch“, schreie ich in den Hörer. „UndmeineMutterhatmireineBauch-weg-Pantygeschenkt!“
Lautes Seufzen am anderen Ende. „Pumbi, hast du dich auf meine neue Waage gestellt?“, fragt sie schließlich.
„Ja, und ich dachte immer, ich hätte schwere Knochen“, schniefe ich. „Jetzt muss ich doch das hautfarbene Monster anziehen, das mir meine Mutter gestern per Post geschickt hat.“
„Julia, du siehst klasse aus. Lass dir doch von deiner Mutter keine Komplexe einreden. Deine Mutter ist selbst übergewichtig und projiziert ihr Problem auf dich. Die zwei, drei Kilo zu viel stören nicht, bei dir sind sie wenigstens an der richtigen Stelle“, sagt sie.
„Du findest also auch, dass ich zu viel wiege?!“, rufe ich entsetzt.
„Nein, du bist einfach nicht eine dieser rappeldürren Tussis, die zuhauf in Eppendorf rumlaufen, sondern eine echte Frau mit einem absoluten Knackarsch“, versichert mir Katja. „Ich dachte immer, du wärst mit deinem Gewicht zufrieden?“
„Ja ... nein! Aber mein Fettanteil ist viel zu hoch!“, jammere ich. „Außerdem hast du gut reden, schließlich bist du rank und schlank und hast keine Gewichtsprobleme.“
„Ja, aber dafür kann ich nichts. Ich hatte schon immer einen guten Stoffwechsel“, offenbart Katja. „Sieh dir meine Mutter an, dann weißt du, woher ich das habe.“
Katjas Mutter hat mit Anfang sechzig immer noch die Figur eines Teenagers.
„Aber ich bin jetzt dreißig, wenn ich weiter so zunehme, sehe ich mit vierzig aus wie eine Tonne“, erkläre ich.
„Dann musst du eben etwas dagegen unternehmen“, antwortet Katja bestimmt.
„Und was?“, frage ich.
„Wie wäre es mit einer Diät?“
„Davon bekomme ich immer schlechte Laune“, sage ich.
„Okay, dann eben eine Kombination aus FdH, gesunder Ernährung und Bewegung“, schlägt Katja vor.
„FdH?“
„Friss die Hälfte“, erklärt Katja. „Einfach von allem ein bisschen weniger. Und vielleicht solltest du auf deine morgendliche Schokolade verzichten. Die treibt deinen Insulinspiegel gleich nach oben, was überhaupt nicht gut ist.“
Ich habe immer eine Tafel Schokolade neben meinem Bett liegen. Mein erster Handgriff, bevor ich die Augen aufmache, ist der nach meiner Schokolade. Ich liebe den zart schmelzenden Schokoladengeschmack am frühen Morgen. Außerdem bietet diese Angewohnheit einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Ich habe keinen Mundgeruch, wenn mich Benni direkt nach dem Aufwachen küssen will! Gleichzeitig ist der Zuckerschub mein Guten-Morgen-Kick. Darauf zu verzichten, würde ein großes Opfer für mich bedeuten.
„Mmh. Und ich darf alles essen wie gewohnt?“
„Na ja, fast. Ein paar klitzekleine Einschränkungen gäbe es da schon. Aber mit viel Disziplin kriegst du das hin und nimmst im Nu ab!“, erklärt Katja bestimmt.
Disziplin ist eine Eigenschaft, die bei mir leider nur schwach ausgeprägt ist und mir bei meinen bisherigen Diätversuchen immer zum Verhängnis wurde. Ich kann einfach einer Versuchung nicht widerstehen, und das bezieht sich so ziemlich auf alle Bereiche meines Lebens. Ich versuche, es als eine Art angeborene Neugierde zu sehen, gegen
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