Champagnerwillich: Roman
Zitronengelb und Ozeanblau sehr wohl geeignet, um Schwiegermütter zu beeindrucken. Ich musste Hella unter Schwur auf Roberto Cavalli versprechen, dass ich ihr das Kleid nächste Woche für eine Vernissage ausleihe.
Zweitens darf ich niemals mit meinen Freunden und Nathan zusammen essen gehen, da Luisa, Mark, Sarah und ich uns die Rechnung einfach immer durch vier teilen oder derjenige von uns die Rechnung bezahlt, der gerade einen Job hat. Als ich jedoch vorhin mit Hella und Nathan essen war und zur Güte vorschlug, die Rechnung zu übernehmen oder durch drei zu teilen, empörte sich mein Freund nur und meinte, er hätte ja nur einen Gurkensalat gehabt.
Und drittens beschleicht mich schon den ganzen Tag der schier unglaubliche Gedanke, dass Nathan mich vielleicht nur liebt, weil ich seiner Mutter so ähnlich bin. Ich schrecke vom Sitz hoch und schaue zu Nathan rüber, der gerade damit beschäftigt ist, seine verböten Haare im Innenspiegel zu begradigen. Was ist, wenn ich Recht habe und dies derwahre Grund ist, warum Hella mir von Anfang an sympathisch war und warum sie über meinen sonst eher missverstandenen Humor lachen konnte. Als ich ihr erklärte, warum ich niemals Secondhand-Handtaschen kaufen würde, hatte sie vollstes Verständnis.
Hmmm?
Soll das bedeuten, dass Nathan sich nicht in mich verliebt hat, sondern nur in die jüngere Ausgabe seiner Mutter? Herrje. Und das, wo doch jeder weiß, dass die Fälschung nie so gut sein kann wie das Original. Einige tief greifende Überlegungen später setzt mich Nathan vor meiner Wohnung ab. Ich bin mittlerweile absolut von dem Gedanken ergriffen, dass da eine Stringenz zwischen Hella und mir besteht. Hmmm. Da hilft alles nichts. Ich muss mir ein Taxi bestellen.
»Hallo, Luisa!«
»Jil?«
»Einmal nach Hause, bitte.«
»Wir stehen direkt vor unserer Wohnung.«
»Ich weiß. Und trotzdem brauche ich ganz dringend ein Taxi. Lass uns doch über die Schweiz nach Hause fahren.«
»Puppe, was ist passiert?«
»Ich habe Hella kennen gelernt!«
»Tja, und wie ist sie so?«
»Ganz bezaubernd. Aber ich habe die dringende Vermutung, dass Nathan mit mir zusammen ist, weil ich ihr wirklich sehr ähnlich bin.«
»Und?«
»Ja, weißt du, ich bin ihr zwar ähnlich, aber bei weitem nicht so perfekt wie sie. Einen Vergleich werde ich über kurz oder lang nicht bestehen! Weißt du, sie kennt dieGeheimnisse von Himbeerclafoutis – ich kenne die Nummer vom Pizzaservice. Sie spricht fünf Sprachen – ich verstehe nicht mal mich selbst. Sie lebt für die Bescheidenheit – ich sterbe für Luxus. Sie glaubt, dass das Leben ohne Männer sehr viel leichter ist – ich glaube, dass das Leben ohne Männer …«
»… sehr viel leichter ist!«
»Hä?«
»Du suchst dir gerade haltlose Gründe, um deine Beziehung mit Nathan infrage zu stellen, weil du dir nicht sicher bist, ob er wirklich der Mann ist, für den es sich lohnt, das Singleleben aufzugeben. Und weil Mark dich in letzter Zeit in einer Art ansieht, wie es nur Verrückte oder Verliebte tun.«
»Ich stelle nichts infrage, und ich will auch mein Singleleben nicht zurück, und mit Mark hat das nun wirklich überhaupt nichts zu tun. Das ist die Wahrheit!«
»Ach Puppe, wenn du meinst. Aber die Wahrheit hat meist wenig mit der Realität gemein.«
»Nur dass du es weißt, ich werde mir nicht mal die Mühe machen, mir über diese weisen Worte Gedanken zu machen.«
»Du bist doch schon dabei. Ach, du musst mir für nächste Woche dringend dein Dirndl von Loden-Frey leihen.«
»Du in einem Dirndl? Da kann doch nur wieder irgendein Job dahinterstecken.«
Gelernte Wörter: obstinat = unbelehrbar;
imminent = nahe bevorstehend;
Stringenz = schlüssiger Zusammenhang.
11
BLICK IN DIE VERGANGENHEIT
ODER
IN DIE ZUKUNFT?
H err Schnüttge.«
»Frau Schöneberg.«
»Wie definiert der Psychologe die Liebe?«
»Da ich nicht denke, dass Sie an einer biochemischen Erklärung über die Vorgänge im menschlichen Körper interessiert sind, werde ich es Ihnen mit einem Bild erklären. Die Liebe ist im Grunde wie Aufzug fahren. Mal fahren Sie allein und warten darauf, dass jemand zusteigt. Mal stürmen Sie übereilt hinaus. Mal fährt man in schwindelnde Höhe, wobei ein möglicher Absturz mit jedem Stockwerk gesundheitsgefährdender wird. Manchmal steigt man vor dem letzten Stockwerk aus. Manchmal war man schon ganz oben, aber der Aufzug fährt an irgendeinem Punkt ohne Zwischenstopp bis in den Keller. Aufzug fahren ist immer ein
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