Champagnerwillich: Roman
Englischen Garten besteht? Ich sollte mich baldmöglichst für Fußgänger und ein einheitliches Radverbot auf öffentlichen Wegen einsetzen. Ich hatte schon nach den ersten Dutzend Triumphtoren, Siegessäulen, Pavillonbauten, Wasserläufen und Springbrunnen für eine kleine Pause am Seehaus im Englischen Garten plädiert, aber Nathan wollte unbedingt am CHINESISCHEN Turm etwas trinken, worauf ich eine Pause kategorisch ablehnte und geradezu freiwillig abandonnierte.
Während Nathan also vergnügt auf seinem Hightech-Porsche-Rad zum Kleinwagenpreis vor mir her radelt und sich ab und zu mit seinem Evian-Gesichtsspray erfrischt, strampele ich rastlos auf Luisas Rostesel hinterher. Wie konnte ich nur so naiv sein und glauben, dass ich Spaß an einer Radtour durch München haben könnte? Ich meine, wozu habe ich eigentlich einen Freund mit einem Porsche in der Garage? Außerdem wird es seinen Grund haben, warum ich mir seit meinem siebten Lebensjahr kein Fahrrad mehr zugelegt habe! Aber wahrscheinlich ist mir im Moment alles recht und billig, was mich davon abhält, über meine temporäre berufliche Unterbeschäftigungnachzudenken. Es ist ja nicht so, dass ich tatenlos in diesem Zustand verharren würde. Nein! Ich habe mich schon bei zig anderen PR-Agenturen in München beworben. Ich muss die Bewerbungen nur noch einwerfen. Und frankieren. Und zukleben. Und schreiben. Das mache ich ja noch alles. Später.
Im Moment stöhne ich bei jedem Tritt in die Pedale wie ein altersschwaches Nilpferd beim Geschlechtsakt. Außerdem tut mein Po weh, mein Rock fliegt bei jedem Windstoß hoch, und eine Fliege klebt am Lipgloss fest.
Gerade überholt mich ein Spitzensportler in einem dieser aerodynamischen und für meinen Körperbau viel zu Körperteile abzeichnenden Anzüge. Aber das stört mich nicht. Mit diesem windschnittigen Outfit wäre ich wahrscheinlich auch ein paar Meter schneller unterwegs. Außerdem ist seine Rückenansicht nicht gerade von schlechten Eltern, was mich dazu anspornt, ein bisschen schneller in die Pedale zu treten. Aber selbst der erotischste Hintern kann meine Stimmung nicht wirklich verbessern.
Jetzt zieht eine Mutter mit ihrem Tchibo-Bike und ihren drei kleinen Kindern an mir vorbei. O Gott. Kann es schlimmer kommen?
Diese Frage darf man anscheinend niemals stellen. Als Nächstes werde ich von einem Rentner überholt. Aber ich glaube, sein Rad hat einen dieser kleinen Hilfsmotoren!
Zu guter Letzt radelt ein korpulenter Manager in Anzug und flatternder Krawatte an mir vorbei, nicht ohne vorher hektisch geklingelt zu haben, damit ich auch ja aus seiner Bahn verschwinde. Wahrscheinlich holt der vom Büroparkplatz aus Schwung, der bis zur Haustür reichen muss.
Okay. Ich bin konditionell nicht ganz fit, aber was mich wirklich wahnsinnig macht, ist Nathans sinnloses Hin- und Herschwenken vor meinem Vorderreifen, gepaart mit seiner permanenten guten Laune.
»Hallo, Süße. Na, gefällt es dir?«
Ein kleiner Schwenk nach rechts.
»Hier bin ich.«
Ein Schwenk nach links.
»Ach Süße. Du sagst ja gar nichts.«
Nach rechts.
»Guck mal. Hier unten an meinem Fahrrad habe ich mir extra einen Halter für meinen Energiedrink einbauen lassen.«
Nach links.
»Und das hier ist …«
»… Nathan. Halt die Klappe!«
36 grüne Ampeln später stecke ich völlig erschöpft den Schlüssel in die Haustür und schleppe mich neben Nathan die Treppen hoch.
»Ich hoffe, es hat dir heute gefallen, Jil!«
»Mmm.«
»Ich meine, weil du die letzten zwei Stunden nichts mehr gesagt hast. Ich konnte ja nicht ahnen, dass dir eine Radtour keinen Spaß machen würde.«
Ich leider auch nicht. Aber dieses Unwissen ist auf Lebzeiten behoben.
»Normalerweise hole ich meine Freundinnen immer mit dem Porsche ab und fahre mit ihnen in die Bayerische Staatsoper. Oder ich gehe mit ihnen zu Tiffany’s, damit sie mir da ein Kettchen oder Armbändchen zeigen, das sie gerne hätten …«
PORSCHE, STAATSOPER, TIFFANY’S! Also, alte Gewohnheiten sollte man nicht grundlos aufgeben.
»… aber für dich empfinde ich anders als für die anderen. Jil, du bist die erste Frau, mit der ich mir eine gemeinsame Zukunft vorstellen kann. Und darum wollte ich mit dirnichts machen, was ich mit den anderen Frauen vor dir auch schon gemacht habe. Wahre Gefühle haben nämlich nichts mit Geld zu tun.«
Hmmm. Gut! Das ist besser als PORSCHE, STAATSOPER und TIFFANY’S zusammen. Ich drehe mich zu Nathan und gebe ihm einen Kuss auf seinen
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