Champagnerwillich: Roman
Schmollmund. Er nimmt mich in seine Arme und drückt mich sanft an seine Brust. Ich schließe für einen Moment die Augen und genieße es, Nathans Körper an meinem zu spüren.
Doch als ich meine Augen wieder aufschlage, steht Mark plötzlich vor mir! Hektisch und mit etwas Mühe löse ich mich aus der Umarmung und schaue irritiert zu Mark und zu Nathan und zu Mark und …
»Ich bin Mark. Ein Nachbar von Jil und Luisa.«
Ein Nachbar? Ich bin von Freundin auf Nachbarin zurückgestuft? Hier muss es sich doch wohl um ein Quiproquo handeln!
»Hallo. Es freut mich, dich kennen zu lernen. Ich bin Nathan. Jils Zukünftiger.«
ZUKÜNFTIGER? Mir gefrieren die lebensnotwendigen Elemente meines Körpers bei diesem Ausspruch aus Nathans Mund. Und Mark scheint ebenfalls gerade in der Antarktis zu stehen.
»Häm, ich meine natürlich in spe.«
Mark und ich ringen uns ein gequältes Lachen ab, das mehr der Erleichterung als dem Witz von Nathan gilt.
»Ich wollte Luisa und dich eigentlich nur zu meiner Praxiseröffnung nächste Woche einladen. Du bist natürlich auch herzlich eingeladen, Nathan.«
»Du eröffnest nächste Woche deine eigene Arztpraxis?« Ich bin schockiert. Wie konnte mir das entgehen? Meine Agnosie nimmt anscheinend langsam bedenkliche Züge an!
»Das mit der Praxis hat sich spontan ergeben.«
»Oh! Da bist du ja ein glücklicher Mann. Na dann. Bis nächste Woche«, verabschiedet sich Nathan und nimmt mich bei der Hand.
Doch bevor Nathan und ich die letzten Stufen zu meiner Wohnung hinaufgehen, höre ich noch Mark, wie er leise vor sich hin sagt: »Der glückliche Mann bist du!«
Verwirrt betrete ich mit Nathan die Wohnung und versuche, meine Gedanken zu ordnen. Im nächsten Moment trifft mich der Schlag. Ich kann meinen Augen kaum glauben und blicke ungläubig in mein Wohnzimmer, wo mich das Abbild des Schreckens anscheinend schon etwas länger erwartet. Herr Besörski sitzt mit grimmiger Miene und Schweißperlen im Gesicht auf MEINER Couch in MEINEM Wohnzimmer.
»Da sind Sie ja. Wissen Sie, ich habe hier nicht ewig Zeit. Mein Gott, Sie tragen diese schrecklichen Röcke ja auch in Ihrer Freizeit.«
»Herr Besörski. Was machen Sie hier?«
»Tja, Folgendes. Ich weiß, dass ich Sie gefeuert habe. Das war wohl etwas überstürzt. Ich brauche Sie wieder.«
»Du bist gefeuert?«, fragt Nathan.
»Sie brauchen mich wieder?«, frage ich.
»So wie es aussieht, will der Vorstand wohl nicht auf Sie verzichten.«
»Tja, was soll ich sagen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich wieder für Sie arbeiten möchte. Was meinen Sie, wie viele Angebote ich allein heute schon bekommen habe!« Mein Gott, was rede ich denn da?
»Ach ja. Ich bin mächtiger, als Sie denken, und geradezu ein Meinungsmagnat in der PR-Branche. Ich könnte Ihre berufliche Karriere allein damit beenden, indem ich herumerzählen würde, dass Sie meine Büroklammern geklaut hätten.«
»Das ist lächerlich, und Sie machen sich juristisch strafbar«, sagt Nathan.
»Wer sind Sie denn? Frau Schöneberg, Sie sollten dringend Ihren Umgang ändern«, sagt Herr Besörski.
»Ja, Jil. Du solltest dringend deinen Umgang ändern«, sagt Nathan.
»Sie bekommen das doppelte Gehalt, behalten Ihren Praktikanten und dürfen auf meinem Parkplatz parken, wenn ich beim Golfen bin. Kommen Sie morgen um acht Uhr in mein Büro«, sagt Herr Besörski.
»Nein. Ich habe der Dame soeben ein anderes Angebot gemacht. Finanzielle Absicherung, Kündigungsschutz, langfristige Sicherheit«, sagt Nathan. Er nimmt meine Hand. »Jil, ich versichere dir meine Loyalität. Du brauchst nur Ja zu sagen.«
Zerknirscht sehe ich zu Nathan und zu Herrn Besörski und zurück. Nie mehr wieder morgens vom Chef beleidigt werden, nie mehr wieder von den eigenen Kollegen ausgelacht werden, nie mehr wieder nörgelnde Kunden, nie mehr wieder Büroklammern klauen. Moment. Ich klaue gar keine Büroklammern. Stattdessen erwartet mich die absolute Loyalität eines Traummannes.
Hmmm.
»Herr Besörski. Wir sehen uns morgen um acht.«
Gelernte Wörter: abandonnieren = auf Rechte verzichten;
Quiproquo = Personenverwechslung;
Agnosie = Unwissenheit.
10
SCHWIEGERMÜTTER
UND ANDERE PHÄNOMENE
H err Schnüttge.«
»Frau Schöneberg.«
»Wie gefällt Ihnen eigentlich mein neuer Rock?«
»Tja, wissen Sie, ich bewundere immer wieder Ihren ausgeprägten Mut zur Individualität!«
»Verstehe.«
Es sind manchmal nur fünf unbedeutende, kleine Worte, die dich in bedeutende, große Schwierigkeiten
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