Champagnerwillich: Roman
Tür.
Nathan blickt zum Aufzug.
Ich blicke zu Boden.
Die Aufzugtür schließt sich.
Geschafft!
Erleichtert drehe ich mich zu einem Mann im Fahrstuhl um.
»Sie haben es aber eilig.«
»Hhhhe. Hhhhe. Hhhhe.« O nein. Bitte nicht. Ich ertrage alle klaustrophobischen Anfälle dieser Welt, aber warum muss es denn ausgerechnet vor diesem Mann sein?
»Ist Ihnen nicht gut?«
»Hhhhe. Hhhhe. Was?« Mein Atem wird schneller.
»Kann ich Ihnen helfen?«
»Ich, hhhhe, ich, hhhhe. Klaus-, Klaus-, Klaus-.« Ich bekomme keine Luft mehr. Meine Beine zittern, meine Hände glühen.
»Klaus… Klaus… Klaustrophobie?«
»Richtig! Hhhhe. Ich leide an übersteigerter, hhhhe, zwanghafter, hhhhe, Angst, hhhhe, vor geschlossenen, hhhhe, Räumen.«
»Okay, ganz ruhig!«
»Ganz ruhig? Hhhhe. Ich hyperventiliere, die Wände stürzen auf mich ein, ich bekomme Krämpfe.«
»Was kann ich tun?«, fragt der Mann, und im nächsten Moment gibt es einen Knall, und der Fahrstuhl bleibt stehen.
»Wir stecken fest!«
»WAS? Wir stecken, hhhhe, fest?« Mein Gott, die Wände sind so nah. Ich ersticke gleich. Ich zucke. Ich zittere. Tränen schießen mir in die Augen. Ich verliere die Kontrolle. Ich halte das nicht aus. »Hhhhe, hhhhe, hhhhe.« Ich beginne zu kippen und schlage wild um mich. Gegen die Wände. Gegen die Tür. Gegen den Mann. »Ich muss hier raus. Hhhhe. Sofort!«
»GANZ RUHIG! SEHEN SIE MICH AN!« Der Mann schreit mich an und ergreift meine Handgelenke. Er hat Mühe, die Bewegungen meiner Arme zu stoppen.
»Sehen Sie mir in die Augen!«
»Hhhhe.«
»Sehen Sie mir in die Augen! Nicht zur Wand! Nicht zur Tür! Nur in die Augen! Haben Sie verstanden?«
»Jahhh. Hhhhe.«
»Es gibt nur Sie und mich. Keine Wände. Keine Türen. Kein Fahrstuhl.«
»Nur Sie und ich.«
»Sehen Sie, Sie zittern ja schon gar nicht mehr so stark.« Langsam wird meine Atmung ruhiger, und ich sehe dem Mann vor mir in die Augen.
»Es freut mich sehr, Sie mal wieder zu sehen, Jil.«
»Sie haben sich meinen Namen gemerkt?«
»Wie könnte ich Sie vergessen? Sie fahren nicht sehr gerne Aufzug, oder?«
»Nein, hhhhe. Eigentlich nicht.«
»Jil, hören Sie. Ich lasse jetzt vorsichtig Ihre Handgelenke los und nehme Ihre Hände in meine Hände, okay?«
»Okay!«
»Gut. Und Sie schauen mir weiter in die Augen. Wissen Sie, dass ich erst letzte Woche an einem Strand von Neuseeland war. Ich sehe die Weite des Ozeans und die Unendlichkeit des Horizonts gerade vor meinen Augen.«
»Die Weite des Ozeans …«
»Geht es Ihnen jetzt etwas besser?«
»Ich bin mir nicht sicher.«
»Keine Sorge, Sie machen das wirklich gut. Außerdem lasse ich Sie nicht los.«
»Hhhhe.«
»Ich werde mich jetzt zu den Fahrstuhlknöpfen drehen und nach einer Notrufnummer suchen.«
»Okay.«
»Und wenn die Panik wiederkommt, sagen Sie mir Bescheid.«
»Das merken Sie ganz bestimmt auch so.«
Der Mann dreht sich zu den Fahrstuhlknöpfen.
Ich starre auf die Fahrstuhltür.
»Mir wird schwindelig.«
»Gut. Ich habe Sie. Alles in Ordnung, Jil. Schauen Sie mir in die Augen.«
»Hhhhe. Besser. Es geht mir besser.«
»Ich hole jetzt mein Handy aus der Tasche und rufe die Notrufnummer an. Keine Angst, ich lasse Sie nicht aus den Augen!« Er wählt die Nummer, während ich in seine Augen blicke. Unaufhörlich.
»Hallo? Ben Bayker hier. Spreche ich mit dem Fahrstuhlnotdienst? … Wir stecken zwischen der zweiten und dritten Etage fest … verstehe … verstehe … sagen Sie, besteht die Möglichkeit, dass wir abstürzen?«
»Hä? Hhhhe.«
Ben schüttelt leicht mit dem Kopf. »Gut. Wir warten.«
»Wir warten?«
»Geben Sie mir wieder Ihre Hand. Der Notdienst ist gleich hier. Wie geht es Ihnen?«
»Es geht.«
»Nicht zur Tür sehen, Jil. Schauen Sie mir in die Augen. Was machen Sie in Ihrer Freizeit? Gehen Sie gerne essen?«
»Ja, sehr gerne. Ich esse am liebsten italienische Eiscreme.«
»Eiscreme? Klingt gut. Ich esse am liebsten Vanillejoghurt zum Nachtisch. Haben Sie den schon mal probiert?«
»Nein.«
»Das sollten Sie unbedingt nachholen.«
»Okay, sobald ich hier raus bin, werde ich das nachholen. Und was haben Sie noch so vor mit Ihrem Leben?«
»Ich würde sehr gerne bald eine Familie gründen. Aber ich glaube, ich muss selbst erst einmal erwachsen genug werden, bevor ich anderen das Leben beibringen kann.«
»Sie sind sehr ehrlich.«
»Wie könnte ich auch anders, wo sie mir doch die ganze Zeit in die Augen blicken.«
»Ich …«
»Sie
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