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Champagnerwillich: Roman

Champagnerwillich: Roman

Titel: Champagnerwillich: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Möller
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ungefähr 93 ½ Stunden von München bis nach Paris. Aber ich will mich nicht beklagen, da ich nicht sagen kann, dass wir die Zeit nicht genutzt hätten.
    Wie auch immer. Gerade möchte ich mich etwas in der Limousine aufrichten, als Right mich lächelnd ansieht.
    »Was ist?«
    »Du siehst süß aus.«
    Misstrauisch greife ich nach dem Spiegel in meiner Handtasche. Ach du gute Güte! Mein komplettes Make-up ist geschlossen einen Zentimeter nach unten gerutscht, meine Haare kleben an meinem Hinterkopf, und meine Kleider sind in Champagner getränkt. Na ja, soweit sie noch an meinem Körper hängen.
    »So kann ich doch unmöglich ins Ritz!«
    Right lächelt. Er greift unter den Sitz und zieht ein silbernes Beautycase hervor, das mit den wunderbarsten Make-up-Produkten von Helena Rubinstein gefüllt ist.
    HELENA RUBINSTEIN!
    Wie verzaubert nehme ich die Tiegel und Tuben in die Hand. Als ich mir einen Mascara etwas genauer ansehe, hält mir Right auf einmal ein Paar bezaubernde Jimmy-Choo-Pumps mit kleinen Strasssteinchen, zierlichen Lederbändchen und zarten Vogelfedern unter die Nase. Mir stockt der Atem!
    »Ich habe gehört, du stirbst für Jimmy Choo. Schuhgröße 36!«, sagt Right und lässt dieses kleine Wunder an Ästhetik vor meinen Augen hin- und herbaumeln.
    »Ben, was machst du eigentlich von Beruf? Du bist doch nicht bei der Mafia oder so was?«
    »Nein. Ich habe eine kleine Firma, die sich auf Unternehmensberatung spezialisiert hat.«
    »Das hat sicher nichts mit der öffentlichen Justiz zu tun, oder?«
    »Nein, wieso?«
    »Ach, nur so.« Der Mann meiner Träume hat seine eigene Firma und keinerlei Verbindung mit irgendeinem juristischen Amt! – Ich denke, mein Leben hat soeben den akmastischen Punkt erreicht.
    »Zu diesen wunderschönen Schuhen brauchst du auch ein neues Kleid.«
    Endlich ein Mann, der mich versteht! Neue Schuhe – neues Kleid!
    Right reicht mir eine schwarze Box, auf der in silbernen Lettern Dior geschrieben steht.
    Der Abend ist gerettet!
    Huldvoll nehme ich den Deckel der Schachtel ab, streife das Zellophanpapier zur Seite und … aber was ist das?
    »Und? Was sagst du?« In einer Mischung aus Skepsis und Ratlosigkeit zieht Right eine seiner Brauen hoch und guckt mich schief an.
    »Na ja, es ist etwas … bunt.« Durch meine Hände gleitet ein weicher Seidentaft mit einem psychedelischen Muster in Pink, Orange und Violett. Obwohl, ich bin mir gar nicht sicher, ob es Orange ist. Es könnte auch ein dunkles Gelb sein oder ein helles Rot, aber die Farben springen so wild auf meiner Netzhaut herum, dass ich sie nicht wirklich voneinander trennen kann.
    »Gefällt es dir nicht?«
    »Also, ehrlich gesagt …« Was soll ich tun? Ich kann eine Beziehung doch nicht auf einer Lüge aufbauen.
    »Wärst du enttäuscht, wenn …?«, setze ich vorsichtig an.
    »Jil, Paris ist doch voller edler Boutiquen. Wir kaufen dir einfach ein neues.« Er streicht mir mit verständnislosem Blick über die Wange und gibt mir einen Kuss. »Ich verstehe was von Unternehmensstrukturen und Negativbilanzen und Kapitalausschöpfungen, aber von Haute Couture habe ich keinen blassen Schimmer.«
    Herr, ich danke dir für einen heterosexuellen Mann, der es sich nicht anmaßt, die Garderobe seiner Freundin zu bestimmen.
    Vor Entzückung ziehe ich Right an mich und verhindere alle weiteren Worte mit einem Kuss.
    Ich habe Hunger. Diese Erkenntnis ist nichts Neues in meinem Leben, da ich immer und überall Hunger habe. Eine lästige Angewohnheit, die sich jeglichem Abgewöhnungsversuch aggressiv widersetzt. Aber seitdem wir das Ritz betreten haben und diese gut aussehenden befrackten Besenstiele permanent duftende Teller an meiner Nase vorbeitragen, bin ich hungriger denn je. Bis unser Essen kommt, werde ich mich auf die Flasche Moët konzentrieren. Stelle fest, dass Right die besten Manieren der Welt hat, ich mich jedoch überhaupt nicht in der gehobenen Gesellschaft auskenne. Ich frage mich, wann darf man allein zu Tisch gehen und wohin muss man dem Garçon folgen? Wie und wo liegt wann meine Serviette? Warum haben wir fünf Kellner? Wieso flüstern hier alle so? Wann ist es gestattet, auf die Toilette zu gehen, ohne den Ober darum gebeten zu haben, einem den Stuhl unter dem Hintern wegzuziehen? Und warum darf ich meine Tischnachbarn nicht anlächeln? Hilflos blicke ich zu Right und unterbreite ihm meine Bedenken.
    »Keine Sorge«, flüstert er mir ins Ohr.
    Er ergreift meine Hand und zwinkert mir liebevoll zu.

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