Champagnerwillich: Roman
müssen bis zum Dachfirst hochklettern.«
»Sind Sie sicher, dass Sie das in einem Artikel gelesen haben?«
»Ich erkläre es Ihnen, wenn wir oben sind.«
»Also, gut!« Ich umfasse Ziegel für Ziegel und folge Right nach oben. Ich sehe immer wieder zu Right hinauf, der auch mich nicht aus den Augen lässt.
»Ich sagte Ihnen doch, ich passe schon auf Sie auf!«
Nach mehreren Minuten sitzen wir leicht zitternd auf dem First des Daches. Der Wind bläht das Hemd von Right sanft auf, und seine Wangen röten sich von der Frische der Luft.
»Und jetzt stehen wir auf und balancieren auf dem Dachfirst.«
»Nein! Dieser Dachfirst ist keine zehn Zentimeter breit. Ich kann zwar auf ihm sitzen, aber ich werde mich ganz sicher nicht hinstellen!«
Right beachtet meine Worte nicht. Er steht auf und zieht mich langsam ebenfalls nach oben.
»Ganz schön wackelig!«
»Ich weiß.«
»Wir werden fallen!«
»Kommen Sie ein Stück näher.«
»Ich sage Ihnen, wir stürzen ab.«
»Nein. Wir stehen doch. Ich halte Sie fest, und ich lasse Sie nicht los! … Blicken Sie sich um.«
O mein Gott. Vor mir, über mir, unter mir, um mich herum, wo ich auch hinsehe, erstreckt sich der Himmel. DieAbendsonne breitet sich wie ein warmer, roter Mantel über den Dächern der Stadt aus, und ich kann bis in die unendliche Weite blicken.
»Das ist ja unbeschreiblich! Ben, ich glaube, ich kann die Wolken berühren!«
»Sie müssen diesen Moment in Ihrem Herzen festhalten und sich immer daran erinnern, wenn Sie sich in Ihrem Leben in einer beengenden Situation befinden. Bewahren Sie sich das Gefühl, das Sie jetzt empfinden, auf ewig, und vergessen Sie niemals den Rausch dieses Augenblicks.«
»Das werde ich nicht.«
Ich blicke hinunter auf die Welt, die mir zu Füßen liegt, und für einen kleinen Augenblick scheint sie stehen zu bleiben, als wolle sie mir allein diesen Moment schenken.
Im nächsten Moment dreht sie sich allerdings schon wieder heftig weiter!
»Ben, ich kann mich nicht mehr halten! Ich …« Mein Körper gerät aus dem Gleichgewicht. O Gott! Ich schwanke zur Seite und finde keinen Halt. Ich sehe schon die Todesanzeige vor meinen Augen: SELBSTMORD BEI SONNENUNTERGANG! Ihr Therapeut meint, es musste so kommen! Habe ich eigentlich irgendjemandem gesagt, dass ich weiße Lilien auf meinem Grab haben möchte? Kann dem Gedanken nicht weiter nachgehen, da Right im letzten Moment meinen Arm ergreift und mich an sich heranzieht.
»Keine Angst! Ich habe Sie.«
»Ich … Ich denke, wir sollten uns wieder hinsetzen.«
Langsam sinken wir auf den First des Daches nieder. Ich schließe die Augen und spüre Rights Haut auf meiner. Ich fühle die Wärme seines Körpers und den Schlag seines Herzens, und wir vergessen, dass wir in schwindelnder Höhe auf einem Dach sitzen. Rights Hände gleiten über meinen Körper, und er zieht mich sanft an sich. Im nächstenMoment küsst er mich in ferne Welten, und ein blümeranter Zustand ergreift Besitz von mir.
Aber ich leide nun wirklich nicht unter Höhenangst. Ich leide am Verliebtsein!
»Wovon träumst du gerade?«, fragt Right mich und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.
Ich schließe die Augen und denke, dass dies wohl das Wunderbarste ist, was ich je erlebt habe. Wir liegen auf dem Boden der Dachterrasse und zählen die Flugzeuge, die mit ihren blinkenden Flügeln scheinbar die hell glänzenden Sterne streifen, und ich fühle mich, als hätte ich das Sterben übersprungen und wäre direkt im Himmel abgeliefert worden. Tief grabe ich mich in Rights Arme und lege meinen Kopf auf seine Schulter.
Ich weiß weniger über Right, als ein stichwortartiger Lebenslauf verraten würde, aber ich würde ihn auf der Stelle heiraten. Ich meine, wenn er mich fragen würde und wenn ein Standesbeamter hier oben auf dem Dach herumirren würde. Natürlich bräuchten wir auch Ringe und eine Hochzeitstorte, und die Flitterwochen auf die Seychellen sollten wir auch schon gebucht haben.
Na ja, gut. Vielleicht könnten wir nicht auf der Stelle heiraten, aber ich könnte gleich morgen damit beginnen, die Einladungen zu schreiben.
»Ich träume vom großen Glück!«, sage ich schließlich.
Auf einmal zucke ich innerlich zusammen. Moment mal! Ich und das große Glück? Da kann doch was nicht stimmen? Solche Sachen haben immer einen Haken. Meistens ist dieser groß und blond. Ich befreie mich aus Rights Umarmung.
»Was ist los?«
»Ich, ich wollte nur wissen, ich meine, ich, ich bin doch nicht dein
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