Champagnerwillich: Roman
Wörter: Akklamation = Zustimmungsäußerung;
opak = undurchsichtig;
akmastisch = auf dem Höhepunkt.
25
LADY ODER LUDER?
H err Schnüttge.«
»Frau Schöneberg.«
»Ich habe Ihnen ein wunderbares Buch aus Paris mitgebracht.«
»Vielen Dank. Aber ich hege eine große Abneigung gegen französische Literatur, seit meine Frau mit einer Pariser Schriftstellerin durchgebrannt ist.«
»Verstehe.«
Es ist Donnerstag Nachmittag, und ich marschiere mit, wie ich finde, großartigen Plänen für die Hochzeitstagsfeier meiner Eltern in die Firma meines Bruders.
»Hi Fran«, begrüße ich Tanguys Sekretärin. »Kann ich zu meinem Bruder?«
»Ich glaube, dein Bruder ist noch beschäftigt. Setz dich doch noch einen Moment dort hinten auf die Couch. Ich sage dir dann Bescheid.« Mit einem Kopfnicken deutet Fran in eine Ecke, die mit einem großen, schwarzen Sofa, einer Designerchromlampe, einem schicken Glastisch und einer Plexiglasvase mit zehn weißen Lilien darin eingerichtet ist. Standen hier nicht das letzte Mal noch zwei cognacfarbene Ledersessel mit einem antiken Beistelltisch aus Ahornholzund pinken Orchideen? Mir scheint, einzig der Blick durch das große Glasfenster auf die vorbeirauschende Isar und ihre steinigen, flachen Uferstücke ist gleich geblieben.
Also, mein Bruder ist wirklich sehr sonderbar. Aber das ist ja nichts Neues.
»Okay, aber ich habe wirklich nicht viel Zeit. Ich habe noch einen wichtigen Termin (bei Maggie, meiner Maniküre). Könntest du das meinem Bruder bitte sagen?«
»Ja, klar. Mach ich.« Doch Fran widmet sich erst einmal irgendeinem Geoffrey, der am Telefon ist, während ich widerwillig die Couch ansteuere und mich darauf niederlasse.
Nun gut.
Mein Blick fällt auf einen kunstvoll verbogenen Zeitungsständer. Was haben wir denn hier? Die brand eins , den Manager , die Zeit … Schade, keine Vogue oder die Marie Claire oder wenigstens die Gala . Meine Güte. Und so etwas nennt sich PR-Agentur! Ich sehe etwas ungeduldig auf die Uhr, beuge mich nach vorn und schiebe die Vase auf dem Tisch zurecht. Nun lehne ich mich wieder nach hinten.
Spannend!
Wirklich spannend.
Wenn ich nicht diesen wahnsinnig wichtigen Termin bei Maggie hätte, wäre es mir ja egal, aber so!
Tja, ja.
Ich greife gelangweilt zu einer Zeitschrift und überfliege einen Artikel, der die Überschrift trägt: »Mit der Liquidität flussabwärts schwimmen«. Aha. Verstehe! Ich lese weiter:
Liquidität als Eigenschaft von Vermögensobjekten zur Rückwandlung in Geld … unter Aufspaltung der zwei Aspekte der self-liquidating-period und des zu berücksichtigenden shiftability …
Gähn.
Sehr, sehr interessant, wirklich.
Achtlos schieben sich die einzelnen Blätter durch meine dringlichst zu manikürenden Finger, bis ich auf einer Seite angelange, von der mir die Headline »BEZIEHUNGSCHAOS« entgegenspringt.
Plötzlich muss ich an Right denken und spüre mein Herz heftig schlagen. Für einen kurzen Moment wünsche ich mich zurück nach Paris und fange an zu lesen.
… Lucas schläft mit Olivia. Olivia berichtet das Gabi. Gabi ist sauer auf Olivia, denn Gabi ist in Lucas verliebt. Lucas hört von Gabis Gefühlen gegenüber Emil und hasst deshalb Gabi. Olivia hasst dafür Lucas, denn Emil mag Gabi. Wer wird zusammen glücklich?
Häm? Ich lese den Abschnitt erneut und komme zu der Erkenntnis, dass diese Wirtschaftsmagazine auch nicht mehr das sind, was sie mal waren.
Etwas verwirrt lege ich die Zeitschrift zurück und tippel ungeduldig mit den Füßen auf dem Boden herum. Ich kann noch nicht einmal Frans Gespräch mit diesem Geoffrey belauschen.
Ich sollte die Vase vielleicht noch ein kleines Stückchen nach rechts rücken.
So, das wäre erledigt.
Minuten später überprüfe ich auf den Bildchen in einem weiteren informationsschweren und spannungsgeladenen Wirtschaftsmagazin die korrekte Krawattenlänge des Top-Managements, als mein Handy brummt.
SÜSSE JIL EGAL WAS ICH MACHE ICH KOMME IMMER WIEDER BEI DIR AN LG MARK
Ich blicke vom Handydisplay auf, als die Eingangstürmit einem dominanten Schwung die Wirtschaftsmagazine vor mir zum Flattern bringt. Durch sie hindurch schreitet ein in einen perfekt sitzenden, pistazienfarbenen Hosenanzug gehülltes weibliches Wesen. Maßanfertigung! , schießt es mir durch den Kopf, und ich erstarre vor Bewunderung. Der Ausschnitt dieser Frau entbehrt einen spitzen, steifen Taftkragen und eine Perlenkette, und ihre Schuhe sind mit champagnerfarbenem Samt überzogen
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