Champion Jack Barron
Franklin, der sich von seinem Stuhl erhob. „Weißt’de das, du bist verdammt in Ordnung für ’nen bleichen Fernsehstar … Wer weiß, vielleicht hast irgendwo schwarzes Blut, vielleicht biste wirklich’n Schwarzer Bleicher?“
Außerhalb der Bar hatte die King Street die Mitternachtsgrenze bereits überschritten: es gingen mehr Leute als kamen, die Junkies lagen bereits nach vollzogenem Schuß in den Betten oder bekamen jetzt gerade den großen Suchttatterich, der Hauptandrang bei den Schnellfick-Puffs ebbte ab, die Penner hatten sich auf ihre Bänke zurückgezogen oder schliefen in ihrer eigenen Kotze, die Grüne Minna transportierte die umgekippten Säufer ab, ein Londoner Nebel aus Potrauch ranzigem Fett gekotztem Bier und Säuferpisse lag schwer auf den Gebäuden, den Gossen und den Alleen wie ein schmieriger Film.
Henry George Franklin an seiner Seite war stockstill, wie ein vorübergebeugter Penner, der seinen Preis gezahlt hat, den Flash hinter sich hat und nun entweder abgefüllt war bis zum Rand oder sich in einer abgelegenen Seitenstraße in die Hose pißte, er hatte seine nächtliche Show abgezogen und überließ sein Schicksal bis zum Morgengrauen den Göttern allein. Und Barron, angesteckt von dieser abgeschlafften, verbrauchten Endzeitstimmung, dachte: Überlaß das ganze verdammte Geschäft Luke und vergiß es. Was kann man sonst auch tun?
Er starrte die Straße auf und ab und hielt nach einer Taxe Ausschau. Nichts zu sehen außer einer Grünen Minna, ein paar Lastwagen und zwei schrottreifen 70er Wagen. New Yorker Reflexen folgend, begann Barron, die Straße entlangzugehen, erfüllt von dem Gefühl, am Arsch der Action doch kein Taxi mehr zu bekommen, und außerdem, auf so einer Straße ist es ohnehin besser, immer in Bewegung zu sein. Franklin trottete wie ein Zombie mit gläsernen Augen hinter ihm her.
Einen halben Block weiter wurde Barron plötzlich von einem Blitz durchzuckt. Etwas stimmte nicht, war aus den Fugen, ein kalter Wind blies über seinen Nacken. Er unterbrach seinen Schritt und blieb stehen, wobei er den Kopf drehte, um hinter sich zu sehen …
Wie ein gewaltiger Peitschenschlag knallte plötzlich ein unwirkliches Feuer-Donner-Geräusch durch die Nacht, eine harte, metallene Biene zischte heulend an seinem Ohr vorbei, gefolgt von Blechkreischen, als eine Mülltonne zwischen ihm und der Straße plötzlich zerrissen wurde und in einem Regen aus Metallteilen, grauem Müll und feuchten Orangenschalen explodierte.
Barron warf sich augenblicklich, Kopf voran, auf den Gehweg und verbarg den Kopf in den Händen, schnellte hinter ein parkendes Auto, während schon der zweite Schuß die Luft zerriß, vernahm einen leisen, unterdrückten Schmerzensschrei und sah Henry George Franklin zusammenklappen und die Hände gegen seinen Magen pressen, dann zerschmetterte ein dritter Schuß seinen Kopf und ließ ihn wie eine zerbrochene, blutige Puppe zu Boden stürzen.
Auf der anderen Straßenseite schrien Leute und stoben in alle Richtungen davon, und Barron sah einen Mann, der den Lauf eines Gewehres auf einer Mülltonne abstützte, hinter der er sich zusammengekauert hatte.
Blitz und Rauch aus der Mündung, dann zerschmetterte eine weitere Kugel zwei Autoscheiben, prallte hinter ihm an der Wand ab und zerfetzte den Reifen neben seinem Kopf, Luft strömte zischend aus, und Glasscherben regneten auf ihn herab. Ein weiterer Schuß, der Wagen wurde zweimal durchgeschüttelt, als die Kugel durch das doppelte Metall der gegenüberliegenden Tür schlug und dann in der steckenblieb, an der er seinen Kopf hatte.
Weiter unten rannten zwei Bullen aus der Grünen Minna auf ihn zu; während der Wagen umdrehte und die King Street wieder herauffuhr, begann die Sirene zu plärren.
Dann hörte er noch das Scheppern von Metall, als der Schütze die Tonne umwarf und in eine Seitenstraße flüchtete.
Barron stand auf, seine Hose war an den Knien zerrissen, die Haut darunter war aufgeschürft und blutete leicht. Er zitterte. Fünf Schuß in fünf Sekunden – die ersten Schüsse, die je in seinem Leben auf ihn abgefeuert worden waren.
Wenige Meter entfernt lag Henry George Franklin, Blut tropfte aus seinem Magen, sein zerschmettertes Gesicht war gnädigerweise unter einer amorphen roten Masse verborgen. Barron würgte, wandte sich dann ab, sah einen der Bullen über die Straße auf ihn zulaufen, und mit einem plötzlichen Adrenalinstoß wurde ihm die Wirklichkeit des eben Geschehenen mit einer
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