CHAMSA - 5 Tage bis zur Ewigkeit (German Edition)
als
ich dich traf. Warum bist du nicht mit deinen Freunden zusammen? Es ist
Wochenende. Geht ihr Freitagabends nicht immer auf irgendwelche Tanzpartys?«
»Dasselbe könnte ich
dich fragen«, schoss sie wütend zurück. »Vielleicht bin ich aus demselben Grund
hier wie du. Ich bin lieber allein.«
»Allein mit einem
Feind!«, vollendete er ihren Satz. Verunsichert hob Hannah den Kopf und bemerkte
den wütenden Ausdruck auf seinem Gesicht. Unsicher trat sie einen Schritt zurück
und prallte gegen den Zaun. Hakim stand plötzlich neben ihr, blitzschnell stütze
er beide Arme neben ihren Körper am Zaun und hinderte sie so am Weglaufen.
Kampfbereit reckte sie ihr Kinn vor und verlor sich in seinen aufgebracht
funkelnden samtschwarzen Pupillen. Er löste eine Hand vom Zaun und ließ seine
Fingerspitzen zart über ihre erhitze Wange gleiten.
»Hannah«, flüsterte er
mit weicher Stimme. »Du darfst nicht hier sein. Ich wünschte, dass unsere Welten
nicht zweigeteilt wären. Dann würde ich alles in der Welt geben, um dich
wiederzusehen. Aber so ist das nicht möglich.«
»Warum nicht?«
»Oh Gott! Hannah, es
gibt tausend Gründe, nicht mit einem wie mir zusammen zu sein. Einer ist
so unwirklich wie der andere. Aber alle sind nützlich, um dich von mir
fernzuhalten.«
»Und welche Gründe
führst du an«, raunte sie atemlos.
»Erstens: Ich bin dein
natürlicher Feind. Ich bin Palästinenser und du Jüdin.«
»Ich lerne gerne andere
Menschen kennen«, informierte sie ihn unbeeindruckt.
»Zweitens: Unsere
Völker hassen einander!«
»Ich tue es nicht und
meine Eltern auch nicht.«
»Wir bekämpfen uns!«
»Ich habe keine Waffe
bei mir«, verkündete Hannah ihm schlicht.
»Wenn sie uns
erwischen, werden sie uns beide bei lebendigem Leib steinigen!«
»Dann dürfen wir uns
nicht erwischen lassen«, fegte sie sein Argument unbeirrt zur Seite.
»Verdammt noch mal«,
fluchte Hakim heiser, »ich bin nicht gut für dich, versteh das doch endlich mal.
Ich bin für dein Volk ein Monster und ein Aussätziger. Wenn wir uns aufeinander
einlassen, betreten wir eine Dimension, die tabu – verboten – ist.« Er musterte
sie beschwörend. Bei ihrem hitzigen Wortgefecht war er unbewusst näher
herangerückt. Die silberne Gürtelschnalle presste sich in ihren Unterleib. Unter
dem halbgeöffneten Hemd bemerkte sie das angespannte Spiel seiner Muskeln auf
seiner nackten Brust und trotz seiner Wut wirkte seine gesamte Erscheinung auf
sie wie ein Fels in der Brandung. Unbezähmbar wild und doch seltsam vertraut.
Als Hannah ein
sehnsuchtsvolles Ziehen in ihrem Inneren spürte, wandte sie sich hastig ab und
konzentrierte sich auf sein markantes Gesicht. Wie war es möglich, dass er trotz
seines aufgebrachten Gesichtsausdrucks noch immer so attraktiv auf sie wirkte?
Ein unsicheres Lächeln umspielte ihren Mund.
»Okay, hör mir zu, für
mich bist du bist weder ein Monster noch ein Biest. Wenn ich das glauben würde,
dann würde ich ins Kino gehen und mir die Schöne und das Biest angucken. Oder
mit Leo ausgehen.«
»Warum bist du hier,
Hannah«, fragte er mit angehaltenem Atem.
Weil ich vierundzwanzig
Stunden am Tag an dich denken muss und deine Nähe mich schwindelig
macht. Und weil ich mich an dich verloren habe . Doch das wagte sie nicht laut
auszusprechen. Verlegen senkte sie den Kopf und kämpfte mit ihren
durcheinanderwirbelnden Gefühlen, die einer Achterbahnfahrt gleichkamen.
Als sie das Schweigen
zwischen ihnen nicht mehr aushielt, murmelte sie: »Weil ich mich in deiner Nähe
wohlfühle.« Hakim stöhnte auf und sie sah, wie es hinter seiner Stirn arbeitete.
Nach unendlichen Minuten des Schweigens schien er zu einem Entschluss gekommen
zu sein. Seine schwarzen Augen versanken in ihren und seine Stimme war kaum zu
verstehen. »Bist du dir wirklich sicher, worauf du dich hier mit mir einlässt?«
»Ja, und ich weiß, dass
ich es niemals bereuen werde«, flüsterte sie.
»Bismillah.« Hakims
glutvolle Augen richteten sich auf sie und sanft streichelte er ihr Gesicht.
»Also, sehen wir uns
wieder?«, murmelte sie leise.
Ein letztes Mal
versuchte er zu widersprechen. »Ich kann nicht zu dir kommen. Du weißt doch,
dass sie alle Grenzpassagen gesperrt haben und keinen von uns mehr auf die
israelische Seite lassen.«
»Das ist mir egal. Dann
werde ich zu dir kommen. Zeig mir deine Welt – zeig mir, wie du lebst«, bat sie
hoffnungsvoll.
Aufstöhnend kämpfte er
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