CHAMSA - 5 Tage bis zur Ewigkeit (German Edition)
mal!«
Mit einem energischen Ruck befreite sie sich aus der Umklammerung und drehte
sich wütend um. »Ich dachte, dass ich mich vor ein paar Tagen klar genug
ausgedrückt hätte: Ich will nicht, dass du mich anfasst, und ich will auch nicht
mit dir ins Kino oder sonst irgendwohin gehen.«
»Tatsächlich?« Leo
lachte gezwungen und das irre Glitzern seiner Pupillen ließ sie frösteln.
Verunsichert bewegte sie sich rückwärts, doch mit einer blitzartigen Bewegung
schnellte Leos Hand vor und krallte sich schmerzhaft in ihren Arm. Brutal zog er
sie an sich.
»Hör auf damit«,
keuchte Hannah und versuchte sich verzweifelt zu befreien. Als er sein Becken
gegen ihren Unterbauch presste und sie seinen hektischen Atem an ihrem Hals
fühlte, kämpfte Hannah mit einem Brechreiz.
»Du solltest aufhören,
mich zu verarschen, meine kleine Hannah«, raunte er dicht an ihrem Ohr.
»Dachtest du wirklich, dass es mir entgangen ist, wie du dich dem arabischen
Kameltreiber drüben an den Hals geworfen hast? Gegen seine Berührungen hattest
du nichts einzuwenden, oder? Und hältst du mich wirklich für so blöd, dass ich
eure täglichen Blicke, mit denen er dich beinahe auszieht, nicht bemerkt hätte?
Aber ich werde nicht zulassen, dass er dich bekommt. Ein jüdisches Mädchen ist
nur einem jüdischen Mann vorbestimmt.«
Wie versteinert hörte
Hannah seine kranken Worte, aus denen ganz eindeutig der Wahnsinn sprach. Aber
ehe sie etwas erwidern konnte, presste er seine kalten Lippen auf ihren Mund.
Sein Kuss war gewaltsam und strafend. Hannahs Magen rebellierte und damit
erwachte sie endlich aus ihrer Erstarrung. Mit aller Kraft holte sie aus – und
stieß Leo kraftvoll ihr rechtes Knie in den Unterleib. Abrupt ließ er sie los
und sank ächzend auf den Rasen.
Schwankend versuchte
Hannah ihr Gleichgewicht zu behalten und presste die Hand auf ihr jetzt heftig
schlagendes Herz. »Wenn du das noch einmal versuchst«, keuchte sie atemlos und
beugte sich zu ihm herunter, »dann schlage ich dir ein paar Zähne aus.«
Mühsam richtete sie
sich auf. So würdevoll wie es ihr unter ihrer Schmerzattacke möglich war,
schleppte sie sich zur Bank, griff nach ihrer Tasche und verließ den
Campus.
Sabbat
G edankenverloren lehnte
Hannah am offenen Fenster und sah den dunklen Wolken zu, die sich stetig am
Himmel auftürmten. Ihre grünen Augen brannten noch immer vor Zorn. Sie konnte
nicht begreifen, was Leo ihr angetan hatte. Dazu hatte er kein Recht gehabt.
Seine beleidigenden Worte hallten wie ein Echo in ihrem Kopf wider. Mit seinem
Verhalten hatte er ihre jahrelange Freundschaft auf einen Schlag zerstört.
Nichts war mehr so wie zuvor.
»Gehst du heute Abend
noch weg, Liebes?«
»Nein,
höchstwahrscheinlich nicht.« Nachdenklich drehte sie sich um und beobachtete
ihre Mutter, die gerade den Brotteig für die Sabbat-Berches aus der Schüssel
holte. Mit geschickten Fingern formte sie zwölf einzelne Teigstränge, welche die
zwölf Stämme Israels symbolisierten, und begann zwei Zöpfe mit je sechs Strängen
miteinander zu verflechten. Danach legte sie die beiden aufeinander und verband
sie miteinander.
»Warum nicht, heute ist
Freitag. Ihr unternehmt doch sonst immer was am Wochenende? Hast du Streit mit
Judith oder den anderen aus eurer Clique?«
»Nein, Mum«.
Um vom Thema
abzulenken, nahm Hannah eine Handvoll Mehl und streute es auf das Brett. Dabei
fühlte sie die fragenden Blicke ihrer Mutter auf sich gerichtet. Seufzend
blickte sie auf. Ihre Mutter war ihre beste Freundin und sie waren seit jeher
eng miteinander verbunden. Sie hätte wissen müssen, dass sie nichts vor ihr
verbergen konnte.
»Es ist wirklich alles
in Ordnung. Sie gehen mir im Moment nur alle auf die Nerven.«
»Alle?«, hakte ihre
Mutter nach. Aufmerksam hob sie den Kopf, ohne in ihrer Arbeit innezuhalten.
»Nein, nicht alle.
Genaugenommen ist es Leo. Er spielt sich in den letzten Tagen jüdischer als
unser Rabbiner auf.«
Erstaunt sah ihre
Mutter sie an. »Mmh, gab es dazu einen bestimmten Anlass?«
Seufzend setzte sie
sich an den Tisch und beobachtete, wie ihre Mutter der Tradition entsprechend
ein kleines, olivengroßes Teigstück aus dem Brot schnitt. Abwesend nahm Hannah
das Challa-Stück, welches als Opfergabe im Ofen verbrannt wurde, als
symbolisches Zeichen, dass man bereit war, seine Speisen zu teilen, und warf es
in den Herd.
»Nein … Doch …«,
druckste sie
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