CHAMSA - 5 Tage bis zur Ewigkeit (German Edition)
erklären konnte, in einen etwas abgelegenen Buchladen, in dem man
sie nicht kannte, und nach langem Stöbern entdeckte sie im untersten Regal ein
glänzendes, blaubroschiertes Buch mit den Titel: First Thousand Words
Dictionary.
Perfekt, das war genau
das, wonach sie gesucht hatte.
****
»Okay, fünf Minuten
Pause.« Leos Stimme hallte gebieterisch über den Sportplatz und riss Hannah aus
ihren Erinnerungen. Kurz darauf kam Judith verschwitzt auf sie zugerannt. Hastig
stopfte sie das blaue Buch in ihren Rucksack, bevor sich ihre Freundin
aufstöhnend auf die Bank neben sie fallen ließ. Wortlos schob Hannah ihr die
Wasserflasche zu.
»Du bist ein Schatz!
Danke.«
Durstig leerte sie die
halbe Flasche, bis sie in ihren Bewegungen stockte. Hektisch wischte sie sich
über den Mund, setzte ein laszives Lächeln auf und begann geheimnisvolle
Handzeichen in die Luft zu machen. Überrascht folgte Hannah ihrem Blick und
beobachtete einen athletisch gebauten blonden Jungen, der am Rand des
Spielfeldes entlang joggte und dessen Augen bei Judiths Gesten erfreut
aufleuchteten, was keinen Zweifel an seiner Bewunderung ließ. Er wollte sie
schon lange und Judith forderte ihn schon seit Wochen mit ihren Gesten geradezu
heraus. Belustigt wandte sich Hannah wieder ihrer Freundin zu.
»Ich habe gehört, dass
er mit dir ausgehen will«, fragte sie neugierig. »Aber du hast ihn abblitzten
lassen, stimmt´s?«
Grinsend beugte sich
Judith hinunter und beschäftigte sich scheinbar hochkonzentriert mit den
Schnürsenkeln ihrer pinken Turnschuhe.
»Du hinkst der Liste
meiner Dates ein wenig hinterher,« kicherte sie. »Gestern habe ich ihn nämlich
nicht abblitzten lassen.«
»Ist er nicht ein
bisschen zu jung?«
»Mmh, vielleicht … Aber
im Bett merkt man ihm das eine Jahr Altersunterschied nicht an.«
»Du bist verliebt und
ihr seid schon zusammen? Davon hast du mir gar nichts erzählt«, beschwerte sich
Hannah vorwurfsvoll.
Ein spöttischer Blick
aus braunen Augen streifte sie. »Ich habe gesagt, dass wir zusammen im Bett
waren, nicht, dass ich verliebt bin. Und ja, er ist mir eigentlich noch
viel zu jung, aber er ist ein ganz netter Zeitvertreib für den Sommer. Wenn wir
Ende des Sommers mit der High-School fertig sind, suche ich mir einen richtigen
Mann. Einen, der genug Geld besitzt, um mich aus dieser Einöde der Angst hier
herauszuholen.«
»Du spielst mit den
Gefühlen dieses armen Jungen und liebst ihn nicht mal?«
Judiths zerquetschte
die Wasserflasche, schraubte den Deckel drauf und warf sie in die nebenstehende
Mülltonne, bevor sie lakonisch antwortete: »Liebe? Das ist nur was für
Romantikerinnen wie dich. In meinem Leben existiert dieses Wort nicht. Oh, komm
schon, jetzt guck mich nicht so vorwurfsvoll an«, stöhnte sie auf. »Was soll ich
denn machen? Es gibt in diesem Jahr nur zwei Abschlussklassen. Die einzigen
drei, vier gutaussehenden Jungen von ihnen habe ich schon abgedated. Und an
unseren Jungs aus der Clique habe ich kein Interesse; wir kennen uns ja alle
schon seit dem Kindergarten. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum du
Leos penetrante Anmachversuche so konsequent ablehnst«, erwiderte sie
nonchalant.
Hannah musste
schmunzeln. Wie immer hatte Judith es geschickt geschafft, vom eigentlichen
Thema abzuweichen. Sie war ihre beste Freundin, obwohl sie in Sachen Liebe ganz
eindeutig anderer Meinung waren. Judith rannte jedem männlichem Wesen nach, das
nicht bei fünf auf den Bäumen war. Irgendwie konnte sie Hannah fast verstehen.
Jeder aus der Clique ging unterschiedlich mit seinen Gefühlen um und versuchte
die allgegenwärtige Angst zu verdrängen.
Judith klammerte sich
mit ihren unzähligen Affären krankhaft an das Leben, um so die permanente Angst
vor dem drohenden Tod und die ständigen Gefahren wenigstens für eine kleine
Weile zu vergessen. Im Gegensatz zu ihr glaubte Hannah jedoch immer noch ganz
fest an die eine große und einzigartige Liebe, die ihr Herz zum Glühen brachte,
ihren Körper erbeben ließ und in der sie sich mit ihrer ganzen Seele verlor, für
immer und ewig. Wahrscheinlich hatte Judith recht – sie war eine hoffnungslose
Romantikerin.
Gedankenverloren sah
sie zu der Gruppe hinüber, die träge am Rand des Spielfelds stand. Sie waren
schon seit Ewigkeiten miteinander befreundet, so unterschiedlich sie auch waren.
Talya stach einem sofort ins Auge, was an ihren grellrot gefärbten kurzen Haaren
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