CHAMSA - 5 Tage bis zur Ewigkeit (German Edition)
laut
klopfendes Herz zu beruhigen. Als sie schüchtern den Kopf hob und seine dunklen
Augen auf sich spürte, verlor sie sich ihn ihnen. Es schien, als blickte er
direkt auf den Grund ihrer Seele. Das sanfte, spitzbübische Lächeln, das jetzt
seine Mundwinkel umspielte, holte Hannah aus ihrem tranceähnlichen Zustand.
Wahrscheinlich wunderte er sich schon über ihr seltsames Verhalten. Sie spürte,
wie ihr die Röte ins Gesicht schoss.
»Äh … Schalom«,
flüsterte sie unsicher. Unerwartet brach er in ein Gelächter aus und Hannah
runzelte verdutzt die Stirn.
»Entschuldige, aber ich
dachte schon, dass ich weiterhin Selbstgespräche führen muss, nachdem ich dich
schon zweimal angesprochen habe, ohne eine Antwort zu bekommen.« Seine weiche,
klangvolle Stimme hüllte Hannah ein wie ein seidiger Cocon.
Immer noch lachend
streckte er ihr die Hand entgegen. »Wollen wir noch mal von vorne anfangen?«,
fragte er augenzwinkernd. »Mein Name ist Hakim.« Hannah legte ihre kleine Hand
in seine, die er mit warmem Druck umschloss.
»Ich heiße Hannah. Es
tut mir leid. Normalerweise bin ich etwas gesprächiger, aber ich habe hier
einfach mit niemandem gerechnet.«
»Schon in Ordnung. So
habe ich wenigstens ausreichend Gelegenheit gehabt, dich zu betrachten. Bis
jetzt hat sich noch kein Mädchen aus eurer Welt hierher verirrt.«
Erneut überflutete
Hannah eine Hitzewelle; er hatte sie also genauso ungeniert betrachtet wie sie
ihn. Lachend strich er ihr über die Wange. »Sei nicht sauer, das war nur
Spaß.«
Endlich fand auch
Hannah ihre Sprache wieder. Neugierig betrachtete sie das dicke Buch auf der
Decke hinter ihm und fragte: »Was liest du da?« Er schien sich über ihr
Interesse zu freuen und hob das Buch auf. »Das Übliche vor Ende des zweiten
Collegejahres. Die Grundwasseroasen der Wüste und wie man sie richtig nutzt.
Darüber müssen wir nächste Woche ein Referat schreiben.«
»Hört sich super
interessant an«, murmelte sie. Was ihr allerdings noch viel interessanter
erschien, war die Information, dass er im zweiten Collegejahr war. Somit musste
er neunzehn sein. Während sie noch darüber nachdachte, stutzte sie auf einmal.
Irgendetwas schien hier nicht zu stimmen. Es dauerte eine Weile, bis sie darauf
kam, was sie so verwunderte.
»Ich … ich kann dich
verstehen. Du sprichst meine Sprache«, rief sie verdutzt und kam sich im selben
Augenblick ziemlich blöd vor. Er lachte belustigt auf und bedachte sie mit einem
unergründlichen Blick, der ihren Puls sofort wieder in die Höhe schießen ließ.
»Das ist keine große Sache. Ich habe nur das Glück gehabt, einen
außergewöhnlichen Mann kennenzulernen, der die hebräische Sprache beherrscht.«
Noch bevor Hannah
weiter fragen konnte, zuckte ein unheimliches Zischen durch die Luft und ein
Steinhagel prasselte von hinten auf sie ein. Sie zuckte erschrocken zusammen.
Doch Hakim reagierte blitzschnell und stellte sich mit seiner kraftvollen
Gestalt vor sie. Mit einem aufmerksamen Blick suchte er die Umgebung ab, bis ein
ohrenbetäubender Schrei seine Aufmerksamkeit in die richtige Richtung lenkte.
Leo stand, mit Steinen bewaffnet, vor dem Grenzzaun und seine aggressive Stimme
hallte unheilschwanger über die Dünen. »Lass sie sofort los, sonst kannst du was
erleben, du Schwein!«
Empört trat Hannah
hinter Hakims schützendem Rücken hervor, gerade als Leo zum nächsten Wurf
ausholte und ein erneuter Steinhagel in ihre Richtung flog. Ein Geschoss traf
sie direkt an der Brust und keuchend sog Hannah die Luft ein.
»Leo, hör sofort damit
auf! Spinnst du? Er tut mir doch gar nichts«, schrie sie erbost.
»Ja, jetzt vielleicht
noch nicht, aber er wird dir was antun, wenn du noch lange bei ihm bleibst. Also
nimm endlich den verdammten Basketball und komm zurück. Sonst werde ich die
Polizei auf den dreckigen Kameltreiber hetzen.«
Seine Stimme überschlug
sich fast und Hannah erstarrte bei seinen hassgetränkten Worten. Entsetzt
schüttelte sie den Kopf. Da war es wieder, dieses unheimliche Etwas, das in ihm
schlummerte. Jetzt schien es mit Gewalt aus ihm herauszubrechen, mit der Absicht
zu verletzten und Zwietracht zu säen. Hakim stand mit ausdruckslosem Gesicht
neben ihr. Doch Hannah war nicht gewillt, die beleidigen Äußerungen wortlos
hinzunehmen. Doch als sie ihren Mund für eine Erwiderung öffnete, spürte sie
Hakims warme Hand beruhigend auf ihrem Arm.
»Lass es gut sein,
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