CHAMSA - 5 Tage bis zur Ewigkeit (German Edition)
sich entschieden. In ihrer Tüte befanden sich noch warme Schwarmabrote mit
Lammfleisch und Tomaten, eingelegtes Kürbisgemüse, köstlich duftende in Honig
getränkte Hawalas und eine Flasche Tamarindensaft. Der sanfte Klang eines
arabischen Liebesliedes tränkte die sommerwarme Luft und begleitete sie aus der
Gasse hinaus. Der Flair der arabischen Nacht und vor allem Hakims Anwesenheit
hatten ihr erhitztes Gemüt des Vormittages beruhigt.
Jetzt war sie
vollkommen entspannt und fühlte eine wohltuende Wärme durch ihre Adern strömen.
Als sie etwas außerhalb der Stadt eine kleine Anhöhe erreichten, griff er nach
ihrer Hand und dirigierte sie rechts auf einen verborgenen Pfad. Nach wenigen
Metern endete er vor einem zweistöckigen sandfarbenen Atriumhaus, das die Farbe
der Wüste reflektierte.
»Mein Zuhause«,
erläuterte Hakim und drehte den Kopf, um sie anzusehen. »Wenn du nichts dagegen
hast, möchte ich dich vorher gerne meiner Mutter vorstellen.«
»Oh.« Perplex sah sie
an sich herunter und fragte sich, ob das wohl der richtige Aufzug war. Doch
Hakim legte ihr die Hände auf die Schulter und sah sie mit seinen dunklen Augen
an. »Du bist wunderschön, Hannah, egal was du anhast.« Sein Daumen streichelte
zärtlich ihr Gesicht. »Komm!« Einladend öffnete er die Eingangstür und zog sie
in einen riesigen Innenhof, der zum Himmel hin offen war. Schüchtern folgte sie
ihm und als er die Küche betrat, fragte sie sich zweifelnd, ob seine Mutter eine
Jüdin in ihrem Haus wohl gutheißen würde.
»Salam u aleikum. Allah
ma´ aki«, rief er. »Verzeih mir die Störung. Mutter, das ist Hannah.« Dann zog
er Hannah nach vorne. »Und das ist Wahida, meine Mutter«, stellte er sie voller
Stolz vor.
»Hallo, Hannah«,
erwiderte diese lächelnd. »Willkommen in unserem Haus, möge der Friede mit dir
sein.«
Einen Moment lang war
Hannah überrascht von der aufrichtigen Herzlichkeit, die in dieser Stimme
mitschwang. Das hatte sie nicht erwartet. Doch Hakims Mutter schien dieselbe
Feinfühligkeit wie ihr Sohn zu besitzen. »Komm näher«, sagte sie und wischte
sich die Hände an der Schürze ab, die sie über ihrem roten, mit Perlen
bestickten, bodenlangen Kaftan trug. Dabei klimperten die unzähligen goldenen
Armreifen an ihrem Handgelenk. Bewundernd bemerkte Hannah, dass jeder dünne Reif
ein anderes filigranes Muster aufwies.
Mit einer mütterlichen
Geste strich Wahida ihr eine Haarlocke aus der Stirn und durchbrach mit dieser
einfachen Geste den Panzer ihrer Schüchternheit. »Meine Tochter, du musst keine
Angst haben. Wir leben nach dem Koran, aber wir sind keine islamischen
Fanatiker. In unserem Haus ist jeder willkommen, der ein reines Herz hat.«
Ein sanftes Lächeln
erschien auf ihrem Gesicht und jetzt wusste Hannah, von wem Hakim das hatte.
»Hier im Haus tragen wir Frauen auch keinen Hidschab, wir sind in diesen Dingen
sehr liberal.«
Erleichterung spiegelte
sich in Hannahs Gesicht. Sie befreite sich von dem Schleier und schüttelte ihre
kastanienbraunen Locken, als ihr Handy unerwartet klingelte. »Vielleicht ist es
meine Mutter«, murmelte sie entschuldigend. Doch mit einem Blick auf das Display
klappte sie das Handy wieder zusammen und biss sich auf die Lippen.
»Leo?«, fragte Hakim
hinter ihrem Rücken leise. »Was will er um die Zeit noch von dir?«
Erschrocken drehte sie
sich um, sie hatte ihn nicht kommen gehört. »Ich …«, stotterte sie.
»Wahrscheinlich will er sich nur entschuldigen. Heute Morgen ist er ein wenig
entgleist …« Sie wich ein wenig zurück, denn aus seinen dunklen Augen sprühten
Funken.
»Hakim, hör auf dich so
ungesittet zu benehmen. Es geht dich nichts an, mit wem Hannah telefoniert.« Der
Tadel seiner Mutter klang vorwurfvoll. Betreten sah Hakim auf den Boden.
»Es tut mir leid«,
murmelte er. Hannah vergaß die Anwesenheit seiner Mutter, achtlos schmiss sie
ihr rosa Handy auf den Küchentisch und ging auf ihn zu. »Hör zu, das muss dir
nicht leid tun. Und ich habe auch keine Geheimnisse vor dir.« Zögernd strich sie
ihm über die Wange. »Bitte, ich möchte, dass du mir auch vertraust.«
Das Stöhnen, das aus
seiner Brust kam, war tief. Hakim fasste ihre Hand und sah sie schockiert an.
»Hannah, ich war eifersüchtig, aber das war falsch, dazu habe ich kein Recht.
Wie kannst du mir das verzeihen?«, fragte er fassungslos.
»Du hast alles Recht
der Welt, wenn du mir nicht wehtust«, erwiderte sie
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