Chancen, Risiken, Folgen 4
auf dem Stoff. Auch wenn mein Interesse hauptsächlich der fehlenden Gliedmaße gilt, bewundere ich seinen schönen Körper, natürlich rein platonisch.
„Ich heiße Ole“, rufe ich ihm zu, als er nach seinem Handtuch greift und Anstalten macht, zurück zum Hotelkomplex zu gehen.
„Matthew“, erwidert der Mann, zögert, wendet sich dann zu mir und nähert sich langsam.
Er setzt sich auf eine Liege nicht weit von mir, knüllt den Frotteestoff in seinen Händen und hält den Blick auf den Boden gesenkt. Ich bin für einen Moment auch gehemmt, doch dann siegt die Neugier.
„Wenn ich dir jetzt zu nahe trete, tut es mir leid, aber diese Prothese macht mich neugierig. Was kann die so alles?“
Matthew hebt den Kopf und ein schüchternes Lächeln gleitet über seine Züge. Während er mir nun die Vorzüge seines Kunstbeines schildert, höre ich nur mit halbem Ohr hin, zu sehr faszinieren mich seine lebhafte Mimik und die Art, wie er immer sicherer wird. Ich schätze ihn auf Anfang dreißig, den kleinen Fältchen in seinem Gesicht nach zu urteilen. Die etwas zu langen Haare fallen ihm ständig in die Stirn, sodass er sie mit einer Hand immer wieder unwirsch nach hinten fegen muss, da sie ihn anscheinend stören. Das sieht irgendwie witzig aus und macht ihn noch sympathischer.
„Ole? Habe ich dich jetzt erschlagen mit meinem Vortrag?“
Ich komme zurück aus meinen Betrachtungen, grinse unschuldig und nicke leicht.
„Zugegeben. Sag mal, wie kommst du auf den Mist, dass keiner mit einem Beinamputierten ins Schwimmbecken will?“
Anscheinend ein wunder Punkt. Matthew schluckt und guckt wieder nach unten.
„Die Hoteldirektion bat, dass ich mich etwas zurückhalte, daher auch die lange Hose, und ehrlich gesagt mag ich es nicht, angestarrt zu werden.“
Mir bleibt die Spucke weg bei dieser Erklärung. Ja, in welchem Jahrhundert leben wir denn? Ich stemme mich hoch, gehe zu Matthew und lass mich neben ihm auf die Liege plumpsen, natürlich in gebührendem Abstand.
„Das finde ich absolut indiskutabel. Du hast doch auch Urlaub, wie alle anderen. Warum sollst du dich verstecken?“
Er zuckt resigniert die Achseln und wirft mir von der Seite her einen kurzen Blick zu.
„Ich komme schon klar. Mach dir keine Gedanken. Bist du mit deiner Frau hier oder …“
Ich seufze, nehme den Themenwechsel aber hin.
„Nein, mit einem Kumpel. Und du?“
Das hört sich besser an als „Freund“, unverfänglicher, nach Hetero.
„Ich bin allein hier. Wollte mir wohl irgendwas beweisen, doch die eine Woche bekomme ich schon herum.“
Er klingt traurig, verzagt und hat damit sofort mein Mitgefühl, außerdem beginne ich, ihn zu mögen. Ich überlege nicht lange, sondern biete spontan an, dass er sich bei den Mahlzeiten und auch sonst zu Hassan und mir gesellen kann. Matthew wirkt erfreut, und nachdem wir uns für neun Uhr zum Frühstück verabredet haben, steht er auf und läuft zum Hotelkomplex, während ich mich auf den Weg zurück zur Hütte mache.
Hassan ist inzwischen wach und steht unter der Dusche. Ich ziehe mir trockene Shorts und ein leichtes Hemd über, schnappe mir ein Buch und setze mich auf die Veranda. Die Sonne ist inzwischen weitergewandert und das Leben rundherum erwacht.
Nach zwanzig Minuten gesellt sich mein zukünftiger Ex zu mir, gibt mir gewohnheitsmäßig einen Kuss auf die Wange. Anschließend traben wir gemeinsam in Richtung des Speisesaals.
Es gibt sowohl Plätze im klimatisierten Innenbereich als auch draußen auf einer großen Terrasse. Wir bevorzugen den Außenbereich, suchen uns einen freien Tisch am Rand und sogleich erscheint ein diensteifriger Kellner, der uns mit Kaffee und frisch gepressten Säften versorgt.
Ich schaue mich suchend nach Matthew um, entdecke ihn an der Tür des Saals, springe auf und winke wild, um seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Hassan lacht und fragt: „Hast du schon wieder Leute kennengelernt?“
„Ja.“ Ich plumpse auf meinen Stuhl zurück. „Matthew ist beinamputiert, ganz allein hier und ein netter Kerl. Ich hoffe, es stört dich nicht, wenn er uns Gesellschaft leistet. Aber Achtung: Er ist garantiert hetero.“
„Schon okay“, brummt Hassan gutmütig.
Täusche ich mich oder linst er zum Nachbartisch, an dem drei junge Frauen sitzen? Matthew hat uns inzwischen erreicht, setzt sich auf einen freien Stuhl und lächelt meinen Ex schüchtern an.
„Hey, ich bin Matt.“
„Das ist Hassan“, stelle ich meinen Freund vor, der leicht abwesend
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