Change for a Kill
Tyrells Vater. Er hatte sie vergewaltigt. Vor meinen Augen.“ Seine Stimme brach, er umklammerte das Lenkrad, bis die Knöchel weiß hervorstachen. „Das Schwein ist danach verschwunden und kam nicht wieder. Meine Mutter hatte nie darüber gesprochen und als sie merkte, dass sie schwanger war, so getan, als würde sie sich auf das Baby freuen. Jahre später stand er auf einmal nachts in der Tür, brüllte sie an, dass sie eine Schlampe sei und ihn verraten habe und stach sie nieder, bevor sie sich verwandeln und ihn attackieren konnte. Er hätte keine Chance gehabt … Er war ein Steinadlerwandler.“
„Oh Gott! Ich habe davon gehört!“, rief Samuel erschrocken. „Ich ahnte, dass ihr es gewesen sein könntet, nachdem Tyrell mich mit solchen Hass … Oh Gott.“ Es war ein Gerücht gewesen, das vor all den Jahren rundgegangen war. Das Gerücht von einem Adler, der sich in eine Gepardin verliebt hatte, die ihn jedoch zurückwies. Er hatte sie erst vergewaltigt und rund drei Jahre später abgeschlachtet. Die Adler hatten ihn nicht ausliefern können, da nie herausgefunden wurde, wer er gewesen war. Die Regierung der Vogelwandler hatte freiwillig eine hohe Geldsumme für die Kinder der Ermordeten aufgebracht. Das war der Anfang der friedlichen Beziehungen zwischen Vogel- und Katzenwandlern gewesen, die zwar bis heute auf wackligen Füßen stand, sich aber trotzdem hielt.
Amy hatte ihm eine etwas andere Version dieser Geschichte erzählt … Nun, das war unwichtig.
„Tyrell und ich hatten eine ganze Weile auf der Straße gelebt. Da lernte ich Daniel kennen, wir wurden Freunde. Er ist mir beinahe wie ein zweiter Bruder. Wir haben zwar Verwandte, doch ich wollte niemandem mehr trauen, keinen Erwachsenen jedenfalls … Ich meine, ich wollte keine Ersatzeltern oder so, die vielleicht auch umgebracht werden …“
Samuel nickte grimmig. Er konnte sich lebhaft vorstellen wie es war, dem Missbrauch und Mord an der eigenen Mutter mit ansehen zu müssen. Der Mensch, von dem man vollkommen abhängig war, dem man blind vertraute, dass er einen beschützte. Für ein Kind war das gleichsam der Sturz eines Gottes. Dass Dylan danach nur noch sich selbst vertrauen wollte und die Verantwortung für seinen Bruder nicht mehr abgegeben hatte, konnte er nachvollziehen. Er konnte sich vorstellen, wie grausam das gewesen sein musste. Und ihn hatte Dylan bedauert, wo er selbst viel Schlimmeres durchgemacht hatte!
„Man hat uns Geld gegeben, eine Menge Geld. Davon habe ich Land gekauft und mit der Hilfe eines benachbarten Gepardenrudels das Haus gebaut. Die Behörden wollten Tyrell und mich nicht allein dort wohnen lassen, doch ich wollte eher sterben, als in ein Heim oder eine Pflegefamilie gehen. Da hat Kevin, der damalige Alpha unserer Nachbarn, die formale Vormundschaft übernommen. Er brachte uns Essen, sorgte dafür, dass wir in die Schule gingen und so weiter, aber er ließ uns ansonsten in Ruhe. Nach und nach kamen die anderen dazu, bis mein Rudel die heutige Stärke erreicht hatte. Deutlich mehr, als ich damals gedacht hätte, das Haus ist eigentlich viel zu klein. Nun ja, jedenfalls stand für mich ganz früh fest, dass ich Polizist werden muss, um solche Dreckskerle zur Strecke zu bringen.“
Sie hatten mittlerweile die Klinik erreicht und parkten bereits seit einigen Minuten auf dem Parkplatz. Samuel griff zögerlich nach Dylans Arm und drückte ihn stumm. Es gab keine Worte, die ausreichen würden, um seine Gedanken und Gefühle zu äußern, darum versuchte er es gar nicht erst. Dylan stand still, den Kopf tief gesenkt. An der Art, wie er ungleichmäßig atmete war zu erkennen, dass er um seine Fassung rang. Als er dann aufblickte, wirkte er allerdings ruhig und beherrscht.
„Du kannst froh sein, dass ich nichts gegen deine Rasse im allgemeinen habe, sonst hätte ich Tyrell und die Jungs aufgefordert, dich zu Hackfleisch zu verarbeiten“, sagte er mit einem breiten Grinsen, bevor er ihm herzhaft auf die Schulter schlug. „Nun komm, wir wollen mal schauen, ob Esther bereits sämtliche Ärzte und Schwestern in den Wahnsinn getrieben hat, hm?“
Er marschierte voraus, Samuel folgte ihm etwas langsamer nach. Irgendetwas von dem, was Dylan erzählt hatte, nagte an ihm, und das nicht bloß, weil es eine wirklich erschütternde Geschichte gewesen war.
„Hey Esther, alles okay bei dir?“ Dylan setzte sich neben der Wölfin auf die Bettkante und drückte ihr kurz die Hände. Sie sah furchtbar aus: Bandagen an den Armen,
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