Change for a Kill
Leben, egal ob Mensch oder Tier.
Nun, mein Vater war ein berühmter Biochemiker gewesen, der jung gestorben ist. Meine Mutter wollte, dass ich in seine Fußstapfen trete, um sein Ansehen zu ehren und damit einem friedlichen Beruf nachgehe. Ihre Mutter hingegen war eine Polizistin gewesen, die für Risiko und Gefahr gelebt hatte.“ Samuel musste bei der Erinnerung an die Streitgespräche zwischen Amy und seiner Mutter innerlich lächeln. Die beiden Frauen waren so verschieden gewesen, wie zwei Menschen nur sein konnten und trotzdem hatten sie ihn beide auf ihre Weise geprägt. Wo Amy hart und unnachgiebig war, zeigte seine Mutter Verständnis und Zärtlichkeit, wo die eine Recht und Gesetz mit allen Mitteln verteidigte, wollte die andere selbst in Massenmördern noch das Gute suchen.
„Meine Mutter starb wenige Jahre nach meinem Vater, da war ich vierzehn. Amy, meine Großmutter, hat mich unter ihre Fittiche genommen, wollte aber nicht protestieren, als ich erst einmal dem Wunsch meiner Mutter gefolgt bin und Genetik zu studieren begann.
Im dritten Semester gab es einen Mord an meiner Uni. Ein Junge wurde tot aufgefunden, die Polizei tappte monatelang im Dunkeln. Den Jungen hatte ich kaum gekannt, dennoch ließ mich die Sache nicht los. Ich fand es unerträglich, wie seine Freundin litt und wie verzweifelt seine Eltern waren, die nicht wussten, warum ihr Sohn sterben musste. Also begann ich zu beobachten, unterhielt mich mit jedem, der Nigel jemals angesprochen hatte, wühlte in seinem Leben, bis ich schließlich wusste, wer es gewesen war – sein Zimmernachbar, der seine Semesterarbeit heimlich bei Nigel abgeschrieben hatte und ihn deswegen meinte umbringen zu müssen. Eben damit Nigel seine eigene Arbeit nicht einreichen konnte und der Betrug dadurch auffliegen würde.“
„Ein erbärmlicher Grund, jemanden zu töten“, murmelte Dylan.
„Und wie. Amy hatte mich die ganze Zeit über unterstützt und beraten und sie war es auch, die meine Ermittlungsergebnisse an die richtige Stelle trug, wodurch der Täter verhaftet werden konnte. Sie hat mich nicht gedrängt, doch wir wussten beide, dass ich meine wahre Berufung gefunden hatte. Wenige Wochen später habe ich das Studium abgebrochen und bin zur Polizeischule gegangen. Seitdem habe ich Frieden mit meiner Adlerseele geschlossen. Während ich vorher den Drang zu jagen und zu töten nicht ertragen konnte, hatte ich von da an die Möglichkeit, diesen Trieb auszuleben. Ich bin ein Jäger, der nicht tötet, sondern Mörder zur Strecke bringt.“
Dylan fuhr eine Weile schweigend, bevor er sagte:
„Du sprichst in der Vergangenheit von Amy, ist sie …?“
„Auch sie ist tot, ja. Sie wurde von Schmugglern erschossen.“
„Das tut mir leid, Mann. Du hast also überhaupt niemanden mehr, der zu dir gehört?“
„Nein, ich bin allein auf dieser Welt.“ Das Mitgefühl in Dylans Stimme berührte Samuel auf seltsame Weise. Sein Vater war bei einem Laborunfall gestorben, seine Mutter im Schlaf an einem Herzinfarkt, Amy im Kampf gegen das Verbrechen. Selbstverständlich hatte er um sie getrauert und vermisste sie sehr, doch er hatte es stets als tröstlich empfunden, dass sie alle auf die Weise gehen durften, die am besten zu ihnen passte. Einsam hatte er sich nie gefühlt, er hatte Freunde und Kollegen und lebte für seine Arbeit.
Die Art, wie Dylan ihn nun ansah, wie er ihn für den Verlust seiner Familie bedauerte, weckte den überwunden geglaubten Schmerz. Der Gepard lebte in einem Rudel, er war nie allein, hatte eine innige Beziehung zu seinem Bruder, trug Verantwortung, die ihn einerseits fesselte, andererseits bereicherte … Einen irrationalen Moment lang sehnte Samuel sich danach, Teil dieser Gemeinschaft zu werden, eine Familie zu haben, nie allein sein zu müssen. Das war zweifellos der menschliche Part von ihm, denn der Adler schreckte sofort vor dem Gedanken an Verlust seiner Freiheit und Unabhängigkeit zurück.
Mit einem Ruck verdrängte er alles und erwiderte Dylans Blick offen und beherrscht.
„Was ist mit dir?“, fragte er. „Was hat dich zur Mordermittlung gebracht?“
„Meine Mutter, allerdings unfreiwillig.“ Dylan wandte sich ab, konzentrierte sich scheinbar ganz auf die Straße. Man konnte spüren, dass dieses Thema für ihn schmerzlich war, aber er sprach weiter, bevor Samuel ihm anbieten konnte, es zu übergehen.
„Sie wurde umgebracht. Damals war ich neun und Tyrell fast noch ein Baby. Der Mann, der sie getötet hat, war auch
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