Change for a Kill
Dutzende behutsame Gesprächsversuche waren daran gescheitert, dass Cory ihm stumm den Rücken zuwandte. Ein Rücken, der immer noch dick bandagiert war, genau wie der Arm, den er kaum heben konnte. Er besaß keinerlei Gefühl mehr darin, konnte die Finger nicht bewegen. Es war hart, so jung zu sein und mit einem Schlag all seiner Zukunftspläne beraubt zu werden. Aaron war der Einzige, der wenigstens ein Nicken oder Kopfschütteln ernten konnte. Der Kleine zermarterte sich mit schweren Vorwürfen und ließ sich ebenfalls von niemandem helfen.
Wenigstens Ron hatte es überstanden. Er lag im Nebenbett und scherzte lautstark mit dem gesamten Rudel. Sie waren tatsächlich komplett versammelt, selbst Daniel war gekommen. Endlich. Dylan war schwer enttäuscht darüber, dass ausgerechnet ihr hauseigener Notfallhelfer zwei Extraeinladungen von ihm benötigt hatte, um sich mal blicken zu lassen. Aarons digitaler Hilfeschrei war zwar bei ihm angekommen in dieser grässlichen Nacht, doch der Kerl hatte es nicht nötig gehabt, wenigstens am Folgetag zurückzurufen und zu fragen, was geschehen war. Auch jetzt machte er keinerlei Anstalten, zu tun, was er am besten konnte und sich mal um Cory zu kümmern. Oder mit irgendjemandem zu sprechen. Stattdessen hockte er da und spielte mit ausdrucksloser Miene an seinem Handy herum.
Schreib ihn ab, dachte Dylan gereizt. Daniel ist draußen, er will vom Rudel nichts mehr wissen. Der Himmel weiß, warum …
Sams Worte gingen ihm nicht aus dem Kopf – darüber, dass der Mörder jemand sein musste, den sie kannten. Vielleicht ein Rudelmitglied. Ob Daniel …?
Nein, vollkommen ausgeschlossen!
Die vergangene Woche gehörte zu den schlimmsten in seinem Leben, und er hatte wirklich schon viel mitgemacht. Ohne Sam hätte er womöglich nicht die Kraft gefunden, die er so dringend brauchte. Immerhin war er selbst auch übel verletzt worden. Das tägliche Leben musste weitergehen, er war stundenweise zum Hauptquartier gefahren, um die Ermittlungen am Laufen zu halten. Wie Sam prophezeit hatte, war seit der Attacke Ruhe eingekehrt. Keine Leichen, die mit ihrem Killer in Verbindung gebracht werden konnten, keine Straßenschlachten, nirgends wurden seltsame Aktivitäten gemeldet. Die Hyänen konnten leider bis jetzt nicht aufgespürt werden, sie hatten sich tief in ihr Gebiet zurückgezogen, wo man sich nur hineinwagen sollte, wenn man eine Armee dabei hatte oder lebensmüde war. Die Verletzte, die man aufgegriffen hatte, war vorgestern in der Untersuchungshaftklinik gestorben – Lungenembolie, kein greifbarer Hinweis darauf, dass jemand nachgeholfen hatte.
Sam sollte heute entlassen werden. Darum waren sie auch alle gekommen, sein Team eingeschlossen; sie wollten sich von ihm verabschieden. Besser hier als im Hauptquartier. Neutraler Boden, beengter Raum … Sollte sich der Mörder tatsächlich unter ihnen befinden, hatte er keine Chance zuzuschlagen.
Es klopfte, Sam kam herein, auf seine ruhige, beherrschte Art. Es war gut zu beobachten, dass keiner der Anwesenden, nicht einmal Daniel, ein Zeichen von Ablehnung gaben. Larry und Mike gaben sich ihm gegenüber weiterhin reserviert, auch Mark blieb zurückhaltend. Die Feindseligkeit hingegen, der unterschwellige Hass auf alle Vogelwandler, war restlos verschwunden. Esther umarmte ihn, genauso wie Annika und Helen. Dave, der noch im Rollstuhl sitzen musste, da er sich körperlich nicht belasten durfte, begrüßte ihn mit Handschlag. Es war fast ein Wunder, ihn aufrecht zu sehen, nachdem er vor wenigen Tagen mehr tot als lebendig gewesen war. Alle äußerten Bedauern darüber, dass er wegging, hatten aber volles Verständnis.
„Wenn der Piepmatz wieder flattern kann, darf er gerne wiederkommen“, rief Rick und klopfte ihm sehr vorsichtig auf die Schultern. Es war ein bisschen wie auf einer Party, nur ohne Häppchen und Getränke – alle schwatzten und lachten durcheinander. Beinahe irreal wirkte er, dieser Moment von Sorglosigkeit, Gemeinschaft und Frohsinn. Was würde als nächstes geschehen, um dieses bisschen Glück zu zerstören? Dylan musste sich zusammenreißen, er wollte nicht in solch morbide Gedanken verfallen. Sie führten zu nichts als Angst, Misstrauen und Depression.
„Wie geht es dem Kleinen?“, fragte Sam leise, als er zu ihm vorgedrungen war. Er hatte Cory zuvor nicht besucht, bloß Dylans Berichten gelauscht. Man konnte ihm am Gesicht ablesen, wie besorgt er war.
Samuel zögerte. Er hatte gehofft, dass Cory sich fangen
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