Change
einatmen. Mit bebendem Körper, weit aufgerissenen Augen und erstarrten Gliedern sank ich langsam zusammen, brach nieder.
Keine Träne rollte über meine Wangen, obwohl ich spürte, dass es der Zeitpunkt dafür war – doch ich wusste nicht, wie ich weinen sollte. Ich konnte nicht schreien, der Schmerz in meinem Körper, die Qual in meinem Herzen lähmte alles.
33. Kapitel
1995 bis März 1998 – Aiden
Ich hatte überlebt. So wie ich es versprochen hatte – ich war stark geblieben, hatte weitergekämpft, war weitergegangen. Anfangs war ich mit meinen Gedanken noch ununterbrochen bei ihm, ich dachte die ganze Zeit daran, das Mike, meine erste große Liebe, nun nicht mehr war. Ein Gedanke, der mich jedes Mal fast zerfraß – ich stürzte wieder ab. Zuerst griff ich nur zu den Drogen, wenn mich die Erinnerung an Mike wieder zu sehr verletzte – doch bald war ich wieder in jenem Trott gefangen, in dem ich geweilt hatte, bevor Mike mich einen kalten Entzug hatte machen lassen. Nun schien seine ganze Mühe umsonst. Nach dem Wegfall meiner Ersatzdroge Mike war ich wieder dem Koks zugetan – ein fataler Fehler, das wusste ich in jenem Moment, doch es störte mich nicht einmal mehr.
Doch auch die Drogen reichten nicht aus, um mich abzulenken. Kurz nachdem Mike gestorben war, nicht mehr existierte, stürzte ich mich in zusätzliche Arbeit. Ich reanimierte meine Schulband ‚Darker than Dust‘, schrieb neue Songs, nahm mit der Band ein neues Album auf, spielte einige Gigs. Zusätzlich eröffnete ich mit dem Drummer Ash ein Tattoo- und Piercingstudio, in welchem ich jede freie Sekunde arbeitete, da ich alles vergessen wollte, dass mich an Mike erinnern konnte.
Eine neue Beziehung anzufangen, war dagegen schwerer. Mike war der Schlüssel zu meinen Gefühlen gewesen, nur er hatte sie in dieser Intensität anfachen können, nur er hatte Zugang zu meinem Herzen gefunden. Nun war es wieder von einer Mauer umgeben. Nichts konnte diese Wand richtig durchdringen, kein freundliches Lächeln erreichte mein Innerstes, kein freundliches Wort mir gegenüber wurde von mir verinnerlicht. Jedes Mal, wenn ich versuchte, oberflächlich zu flirten, wenn ich eine andere Person ansah und musterte, ob sie mich interessieren könnte, fühlte sich dies an, als würde ich etwas Falsches tun, als würde ich Mike betrügen. Ich konnte nicht wirklich nachvollziehen, warum ich so empfand – es war schlicht und ergreifend so. Nie hatte ich Mike völlig verdrängt, er war immer bei mir, und der Glaube daran, dass wir noch immer zusammen wären, wenn er nicht vorzeitig von mir gegangen wäre, half mir. Doch er verhinderte auch, dass ich ihn jemals loslassen konnte. Und er verhinderte, dass ich etwas Neuem eine Chance gab.
Ich blieb allein – bis ich Caroline traf. Wir kannten uns bereits aus der Schule, dort war sie eine der wenigen gewesen, die mich freundlich behandelt hatten. Es hatte sogar eine Zeit gegeben, wo ich vermutet hatte, sie wäre die Einzige, die mich mochte. Das war bevor ich auf Mike traf. Danach hatte ich wenig bis gar keinen Kontakt mit ihr. Doch nun knüpften wir an diese alte Bekanntschaft an, die bald schon zur Freundschaft wurde.
Und dann wurde diese Freundschaft sogar so eng, das ich Carol all dies erzählte, was ich sonst vor der Welt versteckt hielt. Sie erfuhr von meiner Drogensucht, von all den düsteren Erfahrungen meiner grausamen Jugend. Nur über mein Verhältnis zu Mike schwieg ich. Obwohl Carol sehr verständnisvoll reagierte, hatte ich doch Angst, ihr dies zu enthüllen. Ich wollte nicht, dass andere von dem, was Mike und ich geteilt hatten, erfuhren, denn dies ging nur uns etwas an.
Doch so oder so, schickte mich Carol zu einer Entzugstherapie. Sie schaffte es, mich so weit zu motivieren, dass ich dies tatsächlich noch einmal durchmachte, nur um dabei wieder in dieses Loch des Verlustes zu fallen, weil ich Mike so unglaublich vermisste. Als ich ein weiteres Mal durch die Tretmühle des Entzugs schritt, spürte ich jede Sekunde die Sehnsucht, in Mikes Armen Halt zu finden – doch seine Arme gab es nicht mehr. Ich musste selber stark sein – musste mich selber durch mein Leben durchkämpfen.
Als ich endlich die Therapie abgeschlossen hatte, kam ich mir vor wie ein anderer Mensch. Ich wollte es nicht zugeben, doch dadurch hatte ich mich auch etwas von Mike lösen können. Ich hatte ihn nun einmal nicht mehr – an seiner Stelle wartete jetzt Carol auf mich, umarmte mich herzlich und
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