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Change

Change

Titel: Change Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luisa Raphael
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Musik!“, beschwor mich Mike, seine leise Stimme bebte. Er klang so verzweifelt, so zerrissen, so schwach, dass ich nichts anderes tun konnte als zu nicken. Warum war er plötzlich so schwach? Er war doch immer mein starker Mike gewesen – doch nun fühlte es sich gar nicht mehr so an. Er wirkte so zerbrechlich, wie er da stand, den Blick abgewandt und auf etwas links neben mir gerichtet. Langsam drehte ich mich herum, fasste die Gestalt ins Auge.
    Es war Mike – und gleichzeitig wieder nicht. Dieser andere Mike erschien viel älter und erfahrener – er strahlte eine Aura der Kraft aus, eine Aura der Stärke und Sicherheit. Und eine Aura der Fremdheit – ich wusste sofort, welcher Mike meiner war – welcher der Wahre Mike war, auch wenn er jetzt fast gebrochen und schwach schien.
    „Lass ihn los!“, erhob plötzlich dieser andere die Stimme. Sie klang vollends anders, nicht wie die von Mike sondern metallischer und längst nicht so weich, ebenso hatte sie nicht Mikes typische Art, die Worte zu betonen. „Nein.“, kam es fast sofort über meine Lippen. In mir löste sich ein weiteres Beben, lies mich rhythmisch zittern. „Ich kann nicht. Ich brauche ihn – ich liebe ihn. Er ist alles – ohne ihn bin ich nichts. Es ist mir egal, wie das klingt – es ist die Wahrheit.“, hauchte ich tonlos, zu schwach, um zu schreien, wie ich es eigentlich vorgehabt hatte.
    „Aber deswegen kannst du doch nicht aufhören – genau aus diesem Grund musst du weitermachen.“, ermahnte der andere mich, er klang verwirrt und verstört. Doch nicht so verzweifelt wie ich, als ich, wieder schluchzend und leise wimmerte.
    „Ohne Mike? Ohne?“, stotterte ich, hielt mir den Bauch aufgrund der entsetzlichen seelischen Qualen. Sie stachen wie ein Messer, wühlten in meinen Innereien herum, verletzten mich.
    „Ja.“, war die schlichte Antwort, die mich zum Würgen brachte. Mehrere Sekunden verstrichen, bevor ich mich wieder gefangen hatte und mich aufrichtete. Ich atmete tief durch, schöpfte Kraft aus meinem geschwächten Körper, schöpfte Atem.
    „Nein, das kann ich nicht! Ich brauche ihn, verdammt noch mal!“, schrie ich, mich wiederholend – doch es konnte nicht oft genug gesagt werden. Verstand denn niemand, wie sehr ich an ihm hing? Was er mir bedeutete? Ich war abhängiger von ihm als ich es jemals von meinen Drogen gewesen war. Sein Verlust würde mich so ungleich viel mehr schmerzen als alles zuvor Erlebte zusammen. Mein Verstand weigerte sich, ihn gehen zu lassen. Mein Herz weigerte sich, ohne ihn zu leben. Es ging einfach nicht.
    „Es geht. Bitte – du musst ihn gehen lassen. So quälst du nur euch beide zusätzlich.“, verlangte der Andere in verzweifeltem Tonfall. Ich wollte ihn nicht hören, wollte ihn nicht sehen. Hastig huschte mein Blick zu Mike zurück, sah, dass er Tränen in den Augen hatte. Seine Lippen formten tonlos Worte – dennoch hörte ich sie in mir, als würde er direkt in meinem Kopf sprechen. Er flehte mich an, verlangte eben das, was der Andere eben ausgesprochen hatte. Ich raufte mir verzweifelt die Haare, fühlte mich entzwei gerissen, wollte nur kopflos schreien, doch stattdessen tat ich etwas anderes.
    Die Gestalt des mysteriösen zweiten Mikes ansehend, nickte ich langsam. Es fühlte sich an, als würde ich mein eigenes Todesurteil unterschreiben, mir selber meine Adern mit flüssigem Stahl füllen und zugleich ein bitteres Gift trinken. Alles in mir weigerte sich, dies zu tun – doch ich tat es trotzdem. Die Sehnsucht nach einer Berührung von dem Jungen, der viel zu weit weg stand, fraß mich zusätzlich auf.
    „Du musst es sagen und auch glauben, Aiden.“, fügte die Gestalt hinzu, sprach plötzlich leiser und ruhiger.
    „Warum?“, hielt ich eine Frage dagegen, wandte den Blick von der Gestalt ab, visierte den wahren Mike an, prägte mir jede Linie seines Gesichtes, jedes Detail ein. Wenn dies ein Traum war, so musste ich ihn bewahren. Für immer in meinen Erinnerungen.
    „Weil ich nur dann dir etwas versprechen kann.“, entgegnete der andere, synchron dazu begann Mike zu nicken, erwiderte meinen Blick aus braunen, stumpfen Augen. Es waren weniger die Worte als ebenjenes Nicken, das mich ebenfalls nicken ließ. Ich spürte, dass dies das war, was Mike wollte – und so war es das Richtige. Mit aller Kraft, die ich noch zur Verfügung hatte, sprach ich die Worte aus, versuchte, sie zu verinnerlichen – sie sollten meine neue Maxime werden. Auch wenn es mich brechen würde, ich

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