Change
auf den Verkehr konzentrierte und gleichzeitig antwortete.
„Meine Eltern sind für zwei Wochen weggefahren. Solange bin ich allein, aber ich finde das ganz gut so. Es ist zum Teil praktischer so.“ Er drehte sich nochmals zu mir um und grinste mich mit einem strahlenden Lächeln an, das dafür sorgte, dass sich auch meine Mundwinkel hoben.
„Und wie ich meine Eltern kenne, hätten sie darauf bestanden, dass wir einen Krankenwagen für dich rufen. Letztendlich ist es also auch für dich besser gewesen, nicht?“
„Ja, da hast du wohl recht.“, meinte ich leise und sah dann auf die Schemen der vorbeiziehenden Häuser. Aus dem Augenwinkel sah ich Mike beim Fahren zu, unternahm aber nicht noch einmal einen Versuch, mit ihm in ein Gespräch zu kommen. Mit ihm zu reden gestaltete sich als anstrengend, weil mein natürliches Misstrauen mich jedes Wort überdenken ließ. Zusätzlich war es für mich anstrengend, ohne Brille klarzukommen. Gestern hatte es mich nicht gestört - ich hatte es noch nicht einmal registriert, dass ich sie verloren hatte - doch nun wünschte ich mir, ich hätte meine Brille wieder.
Sie wiederzubekommen würde sich wohl schwierig gestalten, da ich sie gestern irgendwo verloren hatte und es mich wundern würde, wenn ich sie jemals wieder fände. Höchstwahrscheinlich war sie auch kaputt. Aber für den Notfall besaß ich noch eine Ersatzbrille zuhause. Doch da wollte ich - wenn ich es mir ehrlich eingestand - auch nicht unbedingt hin.
Aber diesmal käme ich nicht darum herum, mich in dieses Kriegsgebiet zu begeben, auf dem sich meine Eltern eine verlorene Schlacht lieferten und ich meistens zwischen die Fronten geriet. Es machte mich ganz krank, sie zu sehen.
In Gedanken versunken bemerkte ich nicht, das Mike den Chevrolet auf dem Parkplatz des Krankenhauses abgestellt hatte und mich fragend anblickte.
„Was ist los, Aiden?“
Ein Schauder des Erschreckens riss mich aus meiner Gedankenwelt und ich konzentrierte mich auf die Gegenwart und auf mein Gegenüber. „Gehst du alleine oder soll ich…?“ Die Frage kam ein wenig hilflos über Mikes Lippen, doch ich lenkte sofort ein, indem ich zu ihm meinte, ich würde allein gehen. Schon wieder fühlte ich mich unwohl in meiner Haut, überrollt von zu viel Zuvorkommenheit.
„Sicher?“, kam es fragend zurück.
„Klar.“
Das Wort verließ zitternd meine Lippen, als ich aus dem Auto stieg und die Tür wieder hinter mir schließen wollte, doch Mike rief mir noch etwas zu, das gegen meinen Willen ein warmes Kribbeln in auslöste.
„Ich warte hier auf dich.“
„Ist gut.“, presste ich heraus, bevor die Tür mit einem Krachen zuschlug.
Dann lief ich im Sturmschritt auf das Krankenhaus zu.
Die Untersuchung sollte nicht lange dauern, nur das Warten schlug wertvolle Zeit tot. Zeit, die ich mit Nachdenken füllen konnte. Über mich und die Situation, in die ich geraten war. Über Mike und seine schwer nachzuvollziehende Handlungsweise. Über den Traum, der mir geraten hatte, Mike zu trauen.
Meine Gedanken hin und her wendend kam ich weder auf eine einleuchtende Erkenntnis, noch auf eine wirkungsvolle Strategie. Das einzige, was in meinen Schläfen erwachte, waren leichte, pochende Kopfschmerzen, sodass ich froh war, als ich an der Reihe war und nicht mehr in Grübeleien versinken konnte.
Nachdem sich ein Arzt meinen Arm angesehen und ihn geröntgt hatte, stellte er nichts Schwerwiegendes fest und verband ihn erneut. Auch die Wunde an meinem Bein war oberflächlicher Natur. Schon wieder fühlte ich mich am falschen Ort und verfluchte Mikes Starrsinn, der mich hierher geschleppt hatte. Alleine wäre ich nie auf die Idee gekommen, wegen solcher Lappalien ins Krankenhaus zu gehen.
Trotzdem konnte man es als gute Laune bezeichnen, die sich in mir ausgebreitet hatte, als ich wieder zum Ausgang spazierte, um dann in Richtung Parkplatz einzubiegen. Schließlich wartete Mike dort - warum mehrte sich bei diesem Gedanken nur meine Aufregung und Nervosität?
Ich ignorierte die verräterische Reaktion meines eigenwilligen Körpers und beschäftigte mich erneut damit, was nun wohl mit Mike werden sollte.
Eigentlich hatte er seinen Teil ja erledigt, er hatte mir geholfen, meine Verletzungen versorgt und mich ins Krankenhaus gebracht. Würde er mich nun, nachdem er sich entschuldigt hatte und sich nicht mehr um mich kümmern musste, vielleicht gehen lassen?
Einerseits wollte ich das ja, ich mochte es nicht, Fremden zur Last zu fallen.
Weitere Kostenlose Bücher