Change
liebte ich einfach. Und sein Leben war ja so ganz anders als meins - viel schöner und einfach wunderbar. Kein Vergleich zu meiner verkorksten Existenz.
Trotz meiner Verschlossenheit war Mike immer so freundlich zu mir, so fürsorglich und so - zum Verlieben. Verrückte Gedanken wirbelten durch meinen Kopf, aber vermutlich stimmte es. Vielleicht war ich in ihn verliebt.
Vielleicht. Doch selbst wenn, existierten immer noch genug Zweifel in meinem zaudernden Herzen. Genug Fragen, die mich jederzeit beschäftigten und mich nie einmal einen Moment wie jenen heute genießen ließen.
Ich saß auf der Kante meines Bettes, während Mike neben mir lag, die Augen geschlossen hatte und sich auf seinem Walkman den neuesten Song von ‚Darker than Dust‘ anhörte, den ich ihm mitgebracht hatte. Ich konnte ihn unbemerkt mustern, mit einem ziehenden Gefühl im Unterbauch registrierte ich erneut sein hübsches Gesicht. Trotz dass er seine dunklen, vertrauensvollen Augen, die ein warmes Gefühl in mir hinterließen, wenn sie mich anblickten, hinter dichten, schwarzen Wimpern versteckte, erinnerte ich mich ihres Anblicks. Anschmachtend betrachtete ich seine vollen Lippen, die unglaublich weich und einladend aussahen; sein Bartflaum am Kinn, der ihn irgendwie älter machte - zumindest meinem Empfinden nach; seine japanischen Gesichtszüge, die ihn exotisch wirken ließen. Aufregend.
Kurzum: Er sah verdammt anziehend aus, wie er sich in der Musik verloren hatte und mich gar nicht mehr bemerkte, obwohl mein Körper seine Hüfte berührte. Seine Gesichtszüge waren so schön, so friedlich, wie er dort lag und sich nur auf die Musik aus seinem Walkman konzentrierte. Er bekam mich wirklich gar nicht mehr mit, denn als ich mich über ihn beugte, kam keine Reaktion seinerseits.
Was würde er wohl machen, wenn ich ihn jetzt küssen würde? Ein kalter Schauder kroch über meinen Rücken, so überrascht war ich von meinen eigenen Gedanken. Wo kamen sie her? Leise seufzte ich. Ich wusste ganz genau, warum ich von solchen zugegeben verführerischen Einfällen geplagt wurde. Ich hatte sie selbst heraufbeschworen.
Regelmäßig träumte ich von Mike. Nach dem ersten, verwirrenden Traum, der mir geraten hatte, dem Schwarzhaarigen zu vertrauen - was ich dann auch zu Teilen getan hatte - überrollte mich eine richtige Flut von Träumen. Alle handelten mehr oder weniger von dem Jungen, der jetzt entspannt neben mir lag - Mike.
Und jeder Traum verlief mehr oder weniger in gleichen Bahnen: Zuerst war Mike bei mir, während ich nichts anderes zu tun hatte, als ihn von mir zu stoßen, nur um dann zu bemerken, dass ich ihn vermisste, wenn er dann tatsächlich verschwunden war. So schien es immer zu sein - in meinem Träumen.
Das hohe Kreischen der Schulklingel riss mich aus meinen Fantasien, ein mit Kringeln verschönertes Blatt zeugte von der Aktivität meiner Finger, während meine Gedanken sich in angenehmen Weiten befunden hatten. Ich sah auf, registrierte, wie alle anderen um mich herum einpackten und dann aus dem Raum stürmten. Endlich Pause. Endlich konnte ich mich wieder aufs Klo verziehen, die Kabine verrammeln und einige Zeit ungestört verbringen. Ich erhob mich, bemerkte nicht, wie jemand neben mir stand und stieß mit dem Ellenbogen gegen den warmen Stoff eines T-Shirts.
„Hoppla.“, murmelte eine Stimme an meinem Ohr, zwei Hände ergriffen mich, hielten mich in sanfter Gewalt. Ich schüttelte mich, drehte mich halb um. Natürlich war es Mike, der so nahe wie sonst niemand hinter mir stand, seine Körperwärme auf mich übergehend, ein Lächeln auf die weich anzusehenden Lippen gelegt.
Ich fackelte nicht lange, ruppig stieß ich den anderen weg, verschwendete keine Gedanken daran, warum ich dies tat. Es erschien mir nur logisch, ihn auf Abstand zu drängen. Das Lächeln erstarb. Die dunklen Augen sahen mich verletzt an.
„Geh weg!“, krächzte ich feindselig, funkelte den Schwarzhaarigen böse an. Einen winzigen Moment verweilte dieser noch nach meinen giftigen Worten, dann drehte er sich langsam um und verließ den Raum. Sein Gang wirkte kraftlos, zusammengesunken. Genauso wie ich mich fühlte. Ich spürte, wie sich die Wärme verflüchtigte, wie ein Teil von mir ging. Reue durchflutete mich, trieb mir Tränen in die Augen.
„Nein, warte! Geh nicht!“, wisperte ich leise, ohne dass das Gewünschte passierte.
Es dauerte zwei Stunden, bis ich mich von diesem Traum, der mich am Tag, nachdem Mike mich zum Krankenhaus
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