Change
Mein Herz brach, Mikes war schon gebrochen. Und ich kannte ihn mittlerweile gut genug, um zu erkennen, dass er niemals seine Haltung, seine Meinung ändern würde, wenn ihn jemand dazu drängte. Er war zu stur. Lieber würde er untergehen, als sich mir zu entledigen – all das hatte er mir mehrfach gezeigt. Ich musste es akzeptieren, dass er mich tatsächlich liebte – denn kein anderes Gefühl konnte mächtig genug sein, ihn freiwillig solche Qualen auf sich nehmen zu lassen. Mir blieb nur, stärker gegen die Drogen zu kämpfen – denn ich wollte nicht, das er wegen mir zerbrach.
25. Kapitel
August 1994 - Aiden
Ich hatte nie gedacht, dass ich so lange brauchen würde, um meiner Abhängigkeit von Kokain und Crystal loszukommen. Clean zu bleiben, ohne die ständige Gefahr eines Rückfalls. Nicht stets in Gedanken gegen das Verlangen, doch eine Linie zu ziehen, ankämpfen zu müssen. Mittlerweile waren drei Monate vergangen und noch immer hatte mich das Verlangen nicht ganz losgelassen, doch es schlummerte im Hintergrund, ließ sich unter Kontrolle halten, beherrschte mich nicht mehr wie zu Anfang meines Entzugs.
Wenn ich jetzt so zurückdachte, war es mir fast schon peinlich, wie erbärmlich ich mich verhalten hatte – in so mannigfaltiger Hinsicht. Ich bereute mein Verhalten ihm gegenüber – und dennoch konnte ich es nicht rückgängig machen, das lag außerhalb meiner Fähigkeiten. Nicht mal richtig entschuldigen konnte ich mich. Ein Wunder, dass Mike mich nicht aufgegeben hatte, dass er sich so konsequent durchgesetzt und mich aufgehalten und unterstützt hatte. Er war wirklich unglaublich und einzigartig in seiner Art – und obwohl ich meinte, ihn jeden Tag besser zu kennen, gab es Momente, in denen er mich vor ein Rätsel stellte.
Ich hatte ihm so oft Schmerzen und Verzweiflung bereitet und dennoch hielt er an mir fest – das war auf seltsame Art beängstigend und erwärmend zugleich – Mike musste wirklich sehr viel für mich empfinden, um diese Besessenheit erlangt haben zu können. Zumal er tatsächlich zu mir gesagt hatte, er würde mich … lieben. Auch wenn das noch immer nicht in meinen Kopf ging – es war zu irrational. Mein Verstand weigerte sich zu akzeptieren, was mein Herz bereits fühlte. Vielleicht würde sich das eines Tages ändern – doch im Moment war dem nicht so. Denn ich verdrängte diesen Moment aus meinem Gedächtnis, suchte allerorts Ablenkung davon.
Seit wenigen Tagen hatte ich gewissermaßen als Ersatz für das Koks die beruhigende Wirkung von Zigaretten entdeckt. Ich war erbärmlich und schwach – aber ich hatte mich schon wieder an einen Stoff gehängt, stützte mich auf dessen Wirkung, um mich zu beruhigen. Mike wusste nichts davon – und ich konnte mir nicht vorstellen, wie er reagieren würde.
Dies war wieder eine Facette, die unvorhersehbar blieb. Genau wie die Tatsache, dass er manchmal einen sechsten Sinn dafür zu haben schien, wo er aufzutauchen hatte, um auf mich zu treffen, obwohl ich ihn eigentlich gerade nicht sehen wollte, da er mich völlig durcheinander brachte.
Und nun – just in dem Moment - gerade als ich mir eine neue Zigarette angezündet hatte, tauchte Mikes Gestalt in einiger Entfernung auf – eine schwarzhaarige Gestalt, die mit zügigen schritten den Gehsteig entlanghastete, die Augen starr nach vorn gerichtet. Warum lief er hier in diesem etwas heruntergekommenen Viertel auf dem Gehweg herum, eine Tasche unter dem Arm und die Augen fest auf das graue, teils zerbröselte Pflaster gerichtet? Ich wunderte mich wirklich darüber, ihn hier zu sehen.
Die Zigarette in meiner Hand realisierend überlegte ich kurz, ob ich nicht lieber in der engen Seitengasse ein paar Schritte neben mir verschwinden und Fersengeld geben sollte, um einer Begegnung in dieser unerfreulichen Situation aus dem Weg zu gehen. Doch ein seltsam unwohles Gefühl stieg bei diesen Gedanken in mir auf – es fühlte sich falsch an, als würde ich mich selbst betrügen. Das Gefühl hängte sich eklig in meinem Körper fest und fesselte meine scheinbar schockgefrorenen Beine – ich konnte mich nicht vom Fleck rühren. Die Zigarette klebte an meiner Unterlippe, als ich die Asche abklopfen wollte. Gewaltsam zog ich sie ab, rückte mit der freien Hand meine Brille zurecht und folgte der vertrauten Silhouette, die immer näher kam.
Noch fünf Meter war Mike von mir entfernt – ich bemerkte auf die kurze Entfernung, dass sein sonst so ebenmäßig schwarzes Haar
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