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Change

Change

Titel: Change Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luisa Raphael
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kennen als du dich.“, entgegnete Mike schlicht, ein schärferer Ton schlich sich in seine Aussage, als Reaktion auf mein hysterisches Geschrei.
    „Gar nichts weißt du! Hör auf, so eine Scheiße zu labern.“, fauchte ich, meine Wut auf mich selbst, die Welt und mein Schicksal richtete sich in dem Moment allein auf Mike. Ich tat ihm Unrecht, das wusste ich. Und mein Verhalten war nicht förderlich, um Probleme zu beseitigen. Denn in mir war immer noch die Angst, er könnte mich eines Tages verlassen. Vielleicht hatte Mike eines Tages die Schnauze voll von meinen Launen, meinen oft so verletzenden Worten und meinen Macken. Und dann würde er gehen und mich allein lassen - ein schrecklicher Gedanke, bei dem mir eiskalt wurde. Ich zitterte vor Kälte und vor Entsetzen, als ich mir versuchte vorzustellen, wie mein Leben ohne ihn werden würde. Auch wenn ich ihn erst kurze Zeit kannte, so hatte er doch einen großen Platz in meinem Leben. Eine große Bedeutung. Vermutlich würde ich wieder in diesen endlosen Abgrund fallen und es diesmal wirklich nicht mehr heraus schaffen.
    Mikes Augen blickten traurig, als er sich leise erhob.
    „Ich weiß tatsächlich nicht viel – aber es reicht um zu wissen, dass ich wirklich so fühle.“
     
    Leise Moll-Akkorde unterbrachen meinen unruhigen Schlaf, stahlen sich in meine Ohren, weckten mein auf Musik reagierendes Unterbewusstsein. Es schien nicht lange her gewesen zu sein, bevor ich eingeschlafen war, die Müdigkeit steckte noch in meinen Knochen. Meine vom Schlaf verklebten Augen konnten nichts erkennen außer der weißen Wand, als ich sie aufschlug. Ich lag mit dem Rücken zu dem Klavier, dessen Klang voll und dennoch gedämpft durch den kleinen Raum drang.
    Mein vom Schlaf noch etwas benommener Verstand brauchte einige Augenblicke, um das Stück zu erkennen – Mike hatte es mir bereits einmal vorgespielt, doch jetzt klang es anders. Viel schwerer und dunkler, beklommen lauschte ich den melancholischen Tönen, der sich nach unten und oben windenden Melodie, nachlässig und mit viel Hingabe gespielt. Mein Herz krampfte sich zusammen, fast wollte es zerspringen, berührt von der Melancholie in den Tönen.
    Und dann begann Mike seine Stimme dazu erklingen zu lassen und mich überlief augenblicklich ein Schauder. Er summte nur, eine langsame, zum Teil die gespielten Akkorde und Obermelodie aufgreifende Stimme, warm, leise, beruhigend. Ich hatte ihn noch nie so gehört, noch nie hatte er etwas anderes getan als zu seinen Kompositionen gerappt. Seine weiche Stimme klang so anders, so rein und berührend, dass ich unwillkürlich die Tränen wegblinzeln musste, die in meinen brennenden Augen aufstiegen. Mikes Stimme verstummte schließlich, eine lauter und drängender gespielte Melodie schloss sich an, ich konnte mir sein Spiel lebhaft vorstellen. Wie er die Tasten anschlug, seine Finger über die Klaviatur fliegen ließ, zielsicher die richtigen Tasten erwischte.
    Nach zwei gleichen Moll-Akkorden verstummte die Melodiehand wieder und Mike begann, zu ungedämpft liegenden Akkorden zu rappen. Seine Stimme war noch immer leise, er flüsterte teilweise nur, und trotzdem verstand ich jedes Wort und jedes Wort berührte mich.
    Ich konnte die Tränen nicht mehr halten, als er einfühlsam weiter sang – auf eine Art und Weise die er mich nie hatte hören lassen. In meiner Gegenwart tat er immer so, als wäre er unbeugsam und durch nichts kleinzukriegen. Diese verletzliche Seite, die er nun offenbarte - sie war mir geschuldet. Denn dieser Text zielte auf mich ab, ich las es in jedem Wort, in jeder Silbe, in jedem Ton. Der Song erzählte eine Geschichte über Mikes Verzweiflung, eine Verzweiflung, die ich in großer Menge mehrte. Er zerbrach an meiner Drogensucht, zerbrach an mir, scheiterte.
    In dem Moment ersann ich, wie sehr Mike doch darunter litt, das ich mich so unmöglich verhielt, so schwer zu durchschauen, so undurchdringlich. Wie sehr er sich all das zu Herzen nahm und wie sehr ich ihm wehtat – mit meiner bloßen Existenz. Mike hatte sich an mich gefesselt und nun schnürte ihm diese Fessel die Luft ab – doch niemand außer ihm selbst konnte sie lösen. Doch er tat es nicht. Er ertrug lieber das Leiden, in der Hoffnung, eines Tages von mir das zu bekommen, was er sich wohl wünschte – Vertrauen und Akzeptanz.
    Ich schluckte. Mein Herz krampfte sich in nie gekanntem Schmerz zusammen, ein Riss unsäglicher Qualen ließ es brechen, noch nie hatte ich solche Pein verspürt.

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