Change
Kopf, spürte die aufsteigenden Erinnerungen, die ich abschütteln wollte. Es musste doch gehen, ganz nüchtern zu berichten, was los gewesen war. Tief atmete ich durch, redete mir ein, diese ganzen Emotionen nicht wieder an mich heranlassen zu müssen. Suchend sah ich in Mikes warme Augen – ich war jetzt hier, bei ihm, nicht mehr in Gefahr. Leise seufzte ich, bevor ich mit auf einmal ganz ruhiger Stimme weiter sprach: „Sie haben mich vergewaltigt. Schätze mal, ich darf froh darüber sein, dass ich danach nicht gestorben bin an der Überdosis, die ich mir gezogen hatte.“
Ich sah zu, wie Mikes Gesichtszüge bei dem Gehörten entgleisten. Ich hatte mit einer solchen Reaktion gerechnet, trotzdem schürte sie die alte Angst vor einer unerwünschten Reaktion seinerseits. Distanziert und kühl sprach ich das Offensichtliche aus: „Das war’s. Und jetzt bist du angewidert.“
Doch meine Aussage zerstreute er sofort, indem er mich an sich zog und mir - jetzt ebenfalls mit tränenerstickter Stimme zuflüsterte:
„Nein, ich bin nur entsetzt darüber, was sie dir angetan haben. Ich würde niemals von dir angewidert sein, Baby. Aber diese schreckliche Sache … Ich würde sie so gerne ungeschehen machen.“
„Das geht nicht, Mike.“, meinte ich leise zu ihm, vergrub mein Gesicht an seinem Hals und atmete ruhig durch. Sein vertrauter Geruch stieg mir in die Nase, beruhigte mich, gab mir einen Punkt, an dem ich festhalten konnte. Er war noch immer hier, ließ mich noch immer an ihm festhalten. Meine Stimme klang belegt, als ich dann weitersprach: „Ich bin froh, dass du es jetzt weißt, aber sprich nie wieder darüber. Ich will es vergessen.“
„Natürlich.“, entgegnete er sofort, streichelte mir über die Wirbelsäule, drückte mich dann noch enger an sich.
Nochmals entrang sich mir ein Seufzen, ich wusste nicht, ob ich jetzt froh sein sollte, dass ich alles hinter mir hatte. Ich hatte nie gewollt, dass es soweit kommen würde, doch es war trotzdem eingetreten. Nun wusste Mike nahezu alles – und vor allem meine dunklen Geheimnisse, obwohl ich ihn nie damit belasten wollte. Letztendlich war es besser so, da ich nun keinen Grund mehr hatte, ihm etwas vorzuspielen – er kannte schließlich nun auch die Gründe für mein distanziertes Verhalten. Trotzdem war ich nicht zufrieden.
28. Kapitel
August 1994 - Michael
Nach über einem Jahr nach meinem Eingreifen in das Schicksal Aiden Jones, suchte mich schließlich auch der dritte Erzengel neben Gabriel und Rafael auf. Uriel, eine Vorliebe für das Erscheinungsbild von Frauen hegend, kam so unspektakulär, wie es für eine schlanke, junge Blondine nur möglich war. Ihr fast weißes Haar reflektierte das Licht der Sonne stark, weshalb sie die Blicke der Männer und Frauen auf sich zog. Erstere begehrend, letztere missbilligend oder bewundernd. Doch hätten sie einen Blick in die stahlharten, vor Energie pulsierenden Augen Uriels geworfen, sie wären nur noch verängstigt gewesen. Die Kraft in den graublauen Augen war enorm – unmenschlich. Die hellen Wimpern vermochten dieses Glühen nicht zu verbergen. Sie war in der Rangfolge an vierter Stelle und besaß keine so gute Tarnung wie Rafael oder Gabriel und erst recht nicht die Gabe, sich den Menschen völlig anzupassen, so wie ich.
„Uriel.“, begrüßte ich die Frau, die soeben die Straßenseite gewechselt hatte und nun neben mir an der Fußgängerampel stand. Als die Ampel umschaltete, hielt sie Schritt, begrüßte mich ihrerseits leise.
„Michael. Die Menge der Menschen scheint dich mehr und mehr aufzunehmen, bald fällst du nicht einmal einem anderen Engel auf, so wenig unterscheidest du dich noch von den anderen Menschen.“
An der anderen Straßenseite angekommen bahnte ich mir meinen Weg durch die Menge, drängelte mich aus dem Menschenauflauf heraus, Uriel sicher an meiner Seite wissend. Ich fragte mich, was der Grund ihres Erscheinens sein konnte – wollte sie mich warnen? Brachte sie mir andere Informationen als Rafael und Gabriel? Oder beabsichtigte sie, mich zu überreden, die ganze Aktion zu beenden? Ich sprach meine Gedanken nicht aus, lief stattdessen den Fußweg entlang, ohne ein bestimmtes Ziel. Uriels federnde Schritte neben mir waren ein stetiger Begleiter.
„Nun, Michael. Rafael und Gabriel haben mir berichtet, was du hier getan hast. Sie meinten im gleichen Atemzug, du währest zufrieden mit deiner Aktion. Nun ist allerdings Zeit vergangen seitdem du mit unseren
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