Change
seinem Blick begegnen, wenn auch mit verängstigten Augen. Mike starrte genauso ängstlich zurück, trat dann, mich am Arm hinterherziehend, in seine Wohnung.
In diesen vier Wänden hatte ich mein zweitschlimmstes Erlebnis machen müssen – den kalten Entzug – aber ich hatte hier auch schöne Erlebnisse erlebt, doch die schlechten überwogen. Ich hatte Mike mehrfach in diesen Wänden abgewiesen. Hatte mehrfach geschwiegen, wenn er Antworten gesucht hatte. Hatte mich mehrfach distanziert, wenn er mehr wollte, als bloßes Küssen. Ich hatte es nicht ertragen können, hatte nicht die Kraft dazu, mein Trauma zu vergessen, ließ nicht viel mehr zu als Küsse und scheue Berührungen.
Zu tief saß der Schock des Erlebten. So tief, dass ich ihn einfach nicht überwinden konnte.
Und das, obwohl Mike mir schon nahezu tausendmal versichert hatte, dass er mich lieben würde, dass er mir vertraute und mein Vertrauen niemals enttäuschen würde, sollte ich es denn in ihn legen. Doch ich tat es nicht. Bislang hatte ich diese drei Worte noch nicht erwidert, hatte mich noch nicht getraut, sie auszusprechen, da ich befürchtete, sie wären nicht wahr.
Mike musste mein haltloser, stummer Heulkrampf wirklich mitnehmen. Zuerst hatte er mich auf seine Couch gezogen, in eine Umarmung geschlungen, doch er ließ mich alsbald los, als ich Anstalten machte, aufzustehen, und ließ den Kopf in seine Hände fallen, durchwühlte sein schwarzrotes Haar, sah völlig fertig aus. Ich selbst war es auch, lief wie aufgezogen in seinem Wohn-und Schlafzimmer auf und ab. Meine Zunge spielte mit meinem Piercing, beschäftigte sich mit dem harten Metall. Ich war bald am Klavier, bald an seinem Schreibtisch, bald an seinem Bett. Um die Couch machte ich noch einen Bogen, da ich etwas Abstand zu Mike brauchte.
Nachdem ich einige Runden in der Einzimmerwohnung gelaufen war, gab Mike ein gequält klingendes Seufzen von sich, richtete sich in eine gerade Sitzposition und verfolge meinen hektischen Weg durch seine Wohnung.
„Bitte Baby – sag mir, was ich tun soll.“, brach seine Stimme plötzlich laut durch das unangenehme Schweigen, ließ mich kurz inne halten.
Auf seine Antwort musste er etwas länger warten, und dann war sie nur sehr kurz und weder für mich, noch für Mike zufriedenstellend.
„Nichts.“
Meine Stimme war leise, durchdrungen von heiseren Untertönen. Trotzdem sah ich, wie Mike zusammenzuckte, als hätte ich ihn geschlagen. Ich schluckte, fühlte mich plötzlich hilflos. Da stand ich nun, konnte ihm nichts außer lauter Lügen und Ausflüchten sagen, obwohl er all das nicht verdient hatte. Ich wollte mich bei ihm entschuldigen – doch wie sollte ich das anstellen? Trotz einer Entschuldigung würde ich ihm nichts weiter sagen können. Und wenn er wusste, was mit mir los war, war es dann nicht zu spät für eine Entschuldigung?
Schadensbegrenzung konnte ich vielleicht trotzdem tätigen. Eine ganze Weile bleib ich nur ruhig stehen, lauschte seinen raschen Atemzügen und sah ihn dabei an, beobachtete ihn gleichermaßen wie er mich beobachtete. Ich sah in seine wunderschönen, braunen Augen, die so offen und vorbehaltlos zu mir aufschauten. So unpassend in diesem Moment. Der Anblick erzeugte in mir körperliche Schmerzen, da mir jetzt so vor Augen geführt wurde, was ich war, im Vergleich zu ihm. Und dass ich ihn einfach nicht verdient hatte – und mich nicht einmal glücklich schätzte, dennoch seine kompromisslose Zuneigung zu haben.
Schließlich ergriff ich ungefragt das Wort, langsam, wägte jedes Wort sorgfältig ab, bevor es meine Lippen verließ. Es sollte verdammt schwer werden, dies durchzuziehen.
„Ich … habe nachgedacht … über uns.“, murmelte ich, pausierte daraufhin. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, in den Ohren rauschte mein Blut.
„Ich … ich hab dich, obwohl wir schon über ein dreiviertel Jahr zusammen sind … immer wieder abgeblockt.“, gestand ich ihm ein, ließ den Kopf hängen. Ich konnte förmlich spüren, wie Mikes Blick sich an mir fest sog, bis ich schließlich das leise Geräusch von raschelndem Polster vernahm, das mir sagte, dass er aufgestanden war. Zwei hastige Schritte brachten ihn zu mir, doch er berührte mich nicht. Er stand nur da und flüsterte hilflos.
„Baby, was…“
Weiter sprach er nicht, wartete stattdessen darauf, dass ich weiterredete. Nach einem schmerzenden Räuspern schaffte ich das auch.
„Ich will ja eigentlich ehrlich sein – will, aber ich kann nicht … Es
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