Chanur-Zyklus 2 - Das Unternehmen der Chanur
Anfügung des Heckteils an das Schiff war nur der gröbste Beginn für die ganze Arbeit. Es ging dabei darum, dass die von den Abtrennarbeiten beschädigte Oberfläche für neue Schweißstellen vorbereitet wurde. Arbeiter in stabilen Raumanzügen wirkten wie Funken in der Arbeitsflut, wie ein Insektenschwarm dort, wohin sie sich für die Ankunft des Heckteils zurückgezogen hatten. Die Frequenz des Dienstkoms schwieg nie und prasselte vor
Chiso,
der mahen Mundart, welche ihre zig Sprachen überbrückte. Sie fiel den Mahendo‘sat leichter als die Handelssprache.
»Ich gehe mich etwas ausruhen«, sagte Pyanfar, denn das erdrückende Gewicht von allem senkte sich plötzlich auf sie, und das Aufstehen aus dem Sessel und der Gang durch den Korridor kamen ihr vor wie ein größeres Unternehmen.
»Ruft Haral, wenn es nötig wird!«
»Aye«, sagte Tirun. Kein Ausdruck, keine Frage, was sie tun würden oder wie.
Pyanfar wusste das zu schätzen. Die Zeit lief jetzt in Windungen. Auf eine gewisse Weise konnte sie sich entspannen, denn bis zur nächsten Station blieb ihr die Gesellschaft der
Harukk
erspart, in der Verdichtung des Hyper-Lichts, wo alles zeitweilig aufgehoben war und nichts wieder einsetzte, bis der Gravitationsschacht von Mkks sie packte und herausriss.
Mindestens zwei Wochen, in deren Verlauf alles stillstand. Kein Schmerz. Keine Angst.
Nichts, bis sie wieder zum Vorschein kamen.
Aber Tully benötigte Medikamente für diesen Gravitationssturz, brauchte sie wie die Stsho.
Vielleicht wussten das die Kif. Vielleicht machten sie sich etwas daraus, dass er geistig gesund blieb.
Aber vielleicht war es auch besser, wenn er es nicht blieb. Pyanfar erwachte plötzlich, packte den Rand der Schlafschüssel und bemerkte, dass sie nicht fiel, trotz ihres Herzklopfens. Sie rollte sich auf die andere Seite, blickte auf die Uhr und schaltete das Licht und die Korn-Verbindung ein. Das Hämmern am Heck hatte aufgehört.
Und deshalb war sie aufgewacht.
»Brücke, verdammt noch mal, es ist 04:00!«
»Aye, Käpt‘n.« Harals Stimme. »Alles ruhig, und da dachten wir, wir lassen dich schlafen.«
»Ach was!« Sie setzte den Ellbogen auf die Bettkante. »Der Schwanz ist dran?«
»Sie sind jetzt beim Schweißen.«
»Dann schaffen sie den Termin nicht.«
»Es sitzen bereits Techniker an den Pulten. Sie treiben es voran.«
»Götter!« Sie legte den Kopf auf den Arm, hatte ein Gefühl, als wäre gestern eine Wand auf sie gestürzt und als lägen jetzt noch einige Ziegel herum. Dann hob sie den Kopf wieder.
»Wie geht es Chur?«
»Geran hat angerufen und gesagt, es ginge ihr gut. Sie haben beide etwas geschlafen.«
»Hm. Gut.«
»Ein Anruf von der
Wachsamkeit
ist gekommen. Sie haben unser Papier erhalten. Ehrran kaut auf Stöcken.«
»Sehr gut.«
»In der Küche steht ein Topf mit etwas darin.«
Pyanfars Magen rebellierte. »Fein.« Sie fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und rieb sich die Augen. »Ich komme.« Sie schaltete den Kom ab, rollte sich herum und setzte sich auf die Bettkante, wo sie versuchte, ihre Beine zur Arbeit zu überreden.
Götter, Hilfy und Tully! Das legte sich wieder auf ihre Schultern. Da war noch das Päckchen im Sicherheitsfach. Da waren Tt’om’in’mu sich winden de Gestalt im violetten Schein und der Mahendo‘sat, die sich am Glasfenster gegenüberstanden (fragen
Sie nicht nach den Knnn).
Und Mahendo‘sat stellten lebenswichtige Verbindungen auf ihrem Schiff her, wo doch Mahendo‘sat-Inkompetenz den Kif ermöglicht hatte, zu tun, was ihnen beliebte.
Inkompetent? Der Stationsleiter von Kshshti hatte nichts Besseres zu bieten?
Argwöhnische Gedanken waren die halbe Nacht lang durch ihr Unterbewusstsein marschiert, meldeten sich jetzt wieder als Erinnerungen an Träume von einem Kif in den Schatten dieses Raumes. Von empfindlichen Verbindungen in den Trägerleitungen, an denen irgendein mahen Techniker sorgfältig eine Reihe von Fehlern machte, die an den Pulten zu falschen Ablesungen führten. Götter, was, wenn.
Man konnte verrückt werden über waswenns. Was, wenn es ein Verrat Goldzahns war von Anfang an? Was, wenn die
Wachsamkeit
im Recht war - für Hani-Interessen? Was, wenn Chanur auf der falschen Seite stand und obendrein im Begriff war, in irgendeiner mahen Intrige entbehrlich zu werden?
Oder zur Verräterin?
Sie stand auf, duschte und bekleidete sich dann in einfacher Form: eine alte Hose, die sie für grobe Arbeiten aufbewahrt hatte. Keine Ohrringe außer den
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