Chanur-Zyklus 4 - Die Heimkehr der Chanur
eigenen Namen zu erinnern. Es war wichtig, dass er ihr wieder einfiel. Sie lag da, neben einem Alien, der sich eng an sie kuschelte und ihre Hand ganz locker in seiner hielt, die seltsam glatt war. Er hatte vor dem Sprung Medikamente genommen und war jetzt hilflos; Angehörige seiner Rasse mussten das tun, wenn sie sich der Tiefe aussetzten.
Chur lautete der Name. Sie blieb da, gebunden durch diesen losen Griff nach ihrem Wesen. Sie hätte ihn nicht wieder alleinlassen können.
Habe meinen Sohn verlassen. Habe ihn verloren. Werde ihn nie wiederfinden, nie kennenlernen.
Aber ich lasse meinen Freund nicht hilflos hier draußen zurück, nein!
Sie war bei Bewusstsein. Es war nicht normal, so übermäßig weit gestreckt zu sein. Sie wusste das. Sie hatte genug Zeit im Verlauf dieser langen, wachen subjektiven Tage, die Dinge zu sortieren, nicht während des Wachtraums der Zeitdehnung, dem matten Dunst, in dem das Bewusstsein die Tiefe durchquerte, langsamer als der Körper, aber völlig wach in der verdrehten Dunkelheit. Chur dehnte sich aus wie das Schiff und führte mit einem Teil ihres Gehirns Berechnungen durch, und sie hielt den Strick dieser fremden, feinknochigen Hand fest.
Ich verlasse ihn nicht.
Sie dachte an Tully und erinnerte sich daran,
warum
sie hier waren, erinnerte sich an Aliens und das Schiff und die ganze Situation, so eine Situation, wie der Käpt‘n dazu sagen würde. Sie vergaß die Zeit, was Geran anbetraf, denn Geran blieb ewig, wie die Sterne und die Weltenbahnen. Aber Tully kam von woanders her, hatte sich weiter verirrt als sie. Tully besaß Zeit und Grenzen. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da hatte sie ihn nicht gekannt. Noch nie hatte es eine Zeit wie die jetzige gegeben, in der sie so dicht neben ihm gelegen war. Sie versuchte, das Geran zu sagen, ihr zu erklären, warum sie wollte, dass Tully blieb. »Geh hinaus!« sagte sie barsch. So hatte sie es nicht sagen wollen, aber sie sprach mit ihrem Bewusstsein, das erfüllt war von surrealen Erfahrungen, Berechnungen, Zahlen. Man konnte zuviel sagen. »Verdammt, los! Geh! Ich will dich nicht hier haben. Er ist genug. Du musst arbeiten, Gery. Fang an damit! Willst du uns umbringen an diesen Pulten?«
Es tut mir leid!
Sie löschte diese Szene. Entwarf eine andere. Sie saß im Bett, mit Kissen abgestützt.
»Wir haben Schwierigkeiten«
, sagte sie - diesmal genau das, was sie auch hatte sagen wollen. »Gery, ich will wieder an meinen Platz!«
»Kommst du auch«, antwortete Geran mit sanfter Stimme (sie hatte gewusst, dass Geran genau das sagen würde, konnte auch die exakte Neigung ihrer Ohren vorhersagen, den schmerzlichen Blick, den weichen, ruhigen Tonfall). »Komm jetzt! Wir haben eine Reservebesatzung an Bord. Tauran. Ich habe dir das schon erzählt. Möchtest du in die Kombüse, ein wenig dort sitzen? Etwas zu trinken?«
»In Ordnung«, sagte Chur und duldete es, dass sie ganz langsam dorthin geführt wurde. In einer vertrauten Umgebung hingesetzt wurde. Tully war da. Er trat zu ihr und legte ihr die Hand auf den Arm.
»Du machst mir Angst«, sagte er.
»Das tut mir leid«, entgegnete sie.
(Für einen Moment war die jetzige Situation wieder da. Tully lag schlafend da, besinnungslos durch die Medikamente. Einen hübschen Namen hatte er. Das Hübscheste an ihm überhaupt. Die Götter selbst könnten ein solches Fell haben, ein Fell wie Sonnenlicht. Sie jagte ihm manchmal Angst ein. Aber hier kuschelte er sich jetzt an sie. Vielleicht hielt sie ihn warm.
Freund,
hatte er gerade noch gesagt, als ihm die Sinne schwanden. Hatte ihr leicht die Schulter getätschelt und das Fell gestreichelt.
Freund.)
Alle waren da. Die ganze Crew saß um den Tisch in der Kombüse versammelt, was keinen Sinn ergab in einer Situation, wie sie sie gerade hatten, wo alles auf dem Spiel stand. Nur der Käpt‘n fehlte. Und der Kif. Jemand reichte ihr, Chur, einen Becher. Geran umfasste Churs Hände mit ihren und stupste sie, half ihr, den Becher zum Mund zu führen. Es fiel ihr schwer, wieder zurückzukehren, richtig schwer. Sie spürte, wie heiß die Flüssigkeit war. Sie schmeckte nach nichts. Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren, auch nur auf einen kleinen Bereich. Es fiel ihr schwer, der Unterhaltung zuzuhören, sich gedanklich damit zu beschäftigen statt mit reinen Rechnungen, wie sie sie bis dahin durchgeführt hatte.
Sie blinzelte, als sie eine Bewegung sah und die Stimme des Käpt‘ns hörte. Pyanfar war aufgetaucht und setzte sich
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