Chanur-Zyklus 5 - Chanurs Legat
ihr längst vorausgesehen hatte, daß er eine Gefahr dieser Art darstellte.
Im Schiff war es vollkommen still. Die Verladegeräte arbeiteten nicht, und nur die Luft wisperte aus den Leitungen in der Krankenstation… Hilfy rief sie alle bis auf Hallan Meras zusammen.
»Komm herein«, sagte sie zu Tarras, die an der Tür stehenblieb. »Setz dich. – Chihin, du setzt dich
nicht
auf. Übertreib es nicht.«
Chihin brummte und stopfte sich mit einer Hand ein Kissen unter den Kopf. »Es hat nicht geheißen, ich dürfe mich nicht aufsetzen.«
»Befehle«, sagte Hilfy. »Meine. Es wäre schön, wenn irgendwer ihnen folgen würde. Das ist natürlich nur Wunschdenken.«
Allgemeines Schweigen trat ein. Es war ein respektvoller Augenblick allgemeinen Schweigens. Aber Hilfy wollte nicht mit einem Tadel anfangen. »Erstens«, sagte sie, »der Attentäter hat weitere Fehler gemacht. Niemand von uns ist tot. Der Lastwagen…«
»Es tut mir leid«, sagte Fala schwach.
»Nun, es hat funktioniert. Die Idee war gar nicht dumm.
Nichts von dem, was wir getan haben, war dumm. Die traurige Tatsache ist jedoch, daß wir nicht gesiegt haben, weil wir gut waren. Der Attentäter hat verloren, weil er schlecht war –
falls
er verloren hat. Wir wissen nicht, ob er nicht erreicht hat, was er wollte. Ganz gewiß hat er eine Menge Lärm gemacht. Und er zwingt uns, von nun an davon auszugehen, daß uns irgend jemand als Feind betrachtet.« Sie hatte das dünne Päckchen der Handbuch-Ausdrucke bei sich und verteilte sie. »Von nun
an
richten wir uns nach diesen Regeln. Eßt und trinkt und schlaft damit, aber sprecht nicht darüber, macht keine Witze darüber. Na Hallan bekommt kein Exemplar. Er darf nichts davon wissen. Keine Kopie irgendeiner Art verläßt das Schiff.«
Fala runzelte die Stirn. Chihin legte sich den Ausdruck auf die Knie und versuchte, ihn mit einer Hand durchzublättern.
Tiar und Tarras betrachteten ihre Hefte mit zweifelnden Blicken.
»Eine allgemeine Veränderung?«
Hilfy hatte nicht die Absicht, es ihnen zu erzählen, sie hatte nicht die Absicht gehabt, es zuzugeben. Andererseits wollte sie das Handbuch nicht als ihr Baby ausgeben, und man riß nicht einfach alles weg, was eine erfahrene Crew kannte, und befahl ihr, es anders zu machen, ohne ihr zu sagen, warum. »Es ist das Ops-Handbuch der
Stolz.
Ich dürfte es eigentlich gar nicht haben. Ihr dürftet eigentlich gar nicht wissen, daß es existiert.
Lest es. Befolgt die Vorschriften. Wir können darüber reden.
Und vielleicht fallen uns bessere Methoden ein. Nur müssen wir dazu lange genug am Leben bleiben. Dieses Buch teilt die Verantwortungen zu, es setzt die Dezimalstellen in den Berichten fest, es schreibt vor, wann gewisse Wartungsarbeiten zu erledigen sind, es enthält einige technische Details, die allein Pys Ideen sind, aber wir wollen uns damit vorerst nicht aufhalten. Sie ist in manchen Kleinigkeiten, die ihr dumm nennen werdet, eine götterverdammte Pedantin, und ihr werdet darin einige Prozeduren beschrieben finden, die schon vor dem Frieden illegal waren. Aber ich sage euch, lernt es auswendig, versteht es, erwähnt es niemals vor Außenseitern, zu denen ich auch Na Hallan rechne: Er wird nicht auf diesem Schiff bleiben, und er darf nichts darüber an eine andere Crew weitergeben. Fragen?«
»Reisen wir wirklich nach Kefk?« wollte Tarras wissen.
»Das ist durchaus möglich«, antwortete Hilfy. »Ich sehe keinen anderen Weg.«
Weitere Fragen gab es nicht. Vielleicht hatten sie einfach zuviel zu lesen.
»Die Dockarbeiter machen eine bezahlte Pause bis 06:00. Ich schlage vor, daß ihr solange schlaft.«
»Ich werde morgen wieder fit sein«, behauptete Chihin.
»Du wirst Schmerzen haben und den Arm nicht bewegen können«, gab Hilfy zurück. »Du kannst am Vormittag Wache sitzen. Am Kom.«
»Der Junge, weißt du…« – Chihin sah sie nicht direkt an –, »hat sich da draußen gar nicht schlecht gehalten.«
»Das habe ich bemerkt.« Hilfy dämmerte es, daß von den Crewfrauen Chihin auf die gleiche Art wütend war wie sie, nur noch mehr. Aber Chihin, die in Na Hallans Schuld stand, war fair. Chihin legte großen Wert darauf, fair zu sein, auch wenn sich ihr der Magen dabei umdrehte. Aus genau denselben Gründen, die sie störten, konnte sie Mutmaßungen anstellen und nicht weit vom Ziel treffen.
»Es gibt keinen Grund, warum er nicht Dienst tun sollte«, sagte Hilfy. »Es gibt keinen Grund, warum ich ihm nicht trauen sollte. Er braucht nur
Weitere Kostenlose Bücher