Chaos Erde
Luft stank nach kaltem Qualm. Durch die klägliche Imitation eines Buntglasfensters, zurechtgebastelt aus farbigem Plastik, das man stümperhaft mit Leisten und Stangen verklebt hatte, sickerte ein wenig Sonnenlicht in die päpstliche Notbehausung. Altartücher und andere buntgefärbte große Lappen schmückten die Wände, lagen über Sessel und Couchen gebreitet. Auf einem Tisch standen ein halbes Dutzend verbeulte Kelche und mehrere Flaschen.
»Kommt rein und pflanzt euch irgendwo hin«, rief die rauhe Stimme. Die ältliche, fette Vettel, der die Stimme gehörte, saß schlaff, gekleidet in Chorhemd, Meßgewand sowie darüber hinaus ungefähr dem Konfektionssortiment eines Damenbekleidungsgeschäfts, auf einem Thronsitz mit hoher Rücklehne – vielleicht dem, nach dessen Vorbild man die Sitze des sogenannten Papamobils konstruiert hatte –, saugte an einer Zigarre, als kaute sie Kaugummi, und machte keinerlei Anstalten zum Aufstehen, streckte jedoch für den Fall, daß jemand den päpstlichen Hirtenring zu küssen beabsichtigte, den Ankömmlingen die Hand entgegen, die die Zigarre hielt.
Niemand küßte den Ring.
Die Päpstin lehnte sich zurück und wies mit einer Geste Kardinal Nummerneun an, Getränke einzuschenken. »Übrigens, ich kann euch beruhigen«, fügte sie mit trocken-humoriger Betonung hinzu, »trotz der ärmlichen Verhältnisse, in denen wir gegenwärtig hausen, ist der Wein gut. Aber wie ihr bestimmt begreift, ist er wiederum nicht so gut, daß er uns zum Protzen verführt. Natürlich könnt ihr auch was anderes haben, wenn’s euch lieber ist.«
Allmählich wurde Quaddel bewußt, daß er hier die erste Person des heutigen Zeitalters erblickte, die kein jugendliches Aussehen hatte.
Aber angesichts der von der Kirche angesammelten Reichtümer müßte es doch möglich sein…
Es kribbelte ihm im Nacken. Auf einem von der eingenommenen Info-Pille gepflügten und besäten Mutterboden gediehen Ahnungen, die er sich nicht einmal selbst richtig erklären konnte, und der vorzeitige Duft ihrer Keime reizte ihn aufs äußerste, so daß er bitteren Frust empfand.
Doch er mußte auf ihr Heranreifen warten.
Wein wurde serviert. Aus einer Plastik-Altarnische in einer der Ecken erschienen mit Appetithäppchen behäufte Patenen. Die Päpstin drückte ihre Zigarre aus und prostete den Gästen zu.
»Auf unsere einstige und vor allem unsere künftige Zusammenarbeit!«
»Hört, hört!« rief Kardinal Nummerneun in regelrecht herzlichem Tonfall. Alle tranken. Der Wein war von erlesener Qualität. Auf dem Etikett stand, wie Quaddel sah, Nibelheimer Teufelsberg.
Das allerdings kam ihm reichlich merkwürdig vor.
»Das ist ein Tropfen, an den mich für ihn zu erinnern Multi-Opa mir hätte auftragen sollen«, sagte Nixy mit ehrfürchtiger Anerkennung, »nicht das Schlabberwasser in Neapel.«
Die Päpstin blinzelte. Sie hatte dunkle Augen, aber einen blassen, seidenfahlteigigen Teint. Dadurch hatte sie große Ähnlichkeit mit einem ungebackenen Rosinenkuchen.
»Sentimentalität, meine Liebe. Reine Sentimentalität, meinst du nicht? Immerhin war ja… Aber ich will dich nicht mit Angelegenheiten langweilen, die du längst weißt, Kindchen. Magst du noch ein Gläschen? Wundert mich nicht. Das ist ein Replikat des besten Tropfens aus dem päpstlichen Weinkeller. Die echten Weine mußten wir leider verkaufen, auf Algenib waren sie dafür die exorbitantesten Preise zu zahlen bereit, als wäre in den Originalen irgendeine Zauberwirkung versteckt, da konnten wir schlecht widerstehen, aber wir haben mit dem allerhöchsten Standard kopiert, und ich möchte denjenigen sehen, der einen Unterschied feststellt. Ein paar unserer Kopien dürften sogar besser als die Originale sein. Einer bestimmten Theorie zufolge verbessert die Rekonstituierung nach Durchquerung eines Duckmannschen Direkttranslokatbrs das Aroma. Da die Replikation sich einer im Prinzip gleichen Methode bedient, besteht sehr wohl die Möglichkeit, daß… Na egal, wir sollten nun wohl lieber über unsere geschäftlichen Interessen reden.«
»Geschäftliche Interessen?« Nixy schaute Päpstin Johanna nicht an, da Kardinal Nummerneun gerade ihr Glas nachfüllte. »Zu Geschäftszwecken bin ich nicht hier. Ich habe die Erde besucht, damit sich Multi-Opa noch einmal an die denkenswertesten Erlebnisse seiner Jugend erinnern kann, muß aber gestehen, daß ich meine Aufgabe in der blamabelsten Art und Weise verbockt habe, und ich…«
Während des Sprechens war sie
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