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Chaos Erde

Chaos Erde

Titel: Chaos Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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wenn sie sich zur Ruhe gesetzt hatten. Inzwischen waren sie längst reich genug, um mit dem Anschaffen aufzuhören, doch immer wollten sie noch etwas mehr, etwas mehr, stets noch ein wenig mehr… Außerdem lebten Präriemonds Neffen nur noch dank der einzigen wirksamen Heilbehandlung gegen AIDS, und diese Methode kostete im Monat einen höheren Betrag, als die meisten Amerikaner im Jahr verdienten – obwohl keineswegs soviel, wie manche Amerikaner an Einkommen hatten –, und es wäre ziemlich nachteilig gewesen, hätte man Schlagzeilen wie »SCHWERREICHE >LAMA<-FAMILIE LÄSST ARME VERWANDTE UNBARMHERZIG STERBEN!« lesen können.
    Aber es ergaben sich auch Folgen, mit denen seine Eltern nicht gerechnet hatten. Die dahingehend genossene Erziehung, an sein Auserwähltsein und seine höhere Sendung zu glauben, hatte ihren Sohn gegen Zynismus gefeit – beziehungsweise gegen das, was die meisten Menschen »gesunden Zynismus« nannten. Manchmal verwirrte ihn in einem Maß, als wäre er noch ein Kleinkind, die Art und Weise, wie seine Eltern die Grundsätze, mit denen er aufgewachsen war, mit dem gewaltigen Reichtum vereinbarten, den sie zusammen rafften.
    Ferner wollte er Mädchen kennenlernen, und infolge der Umstände, wie man sein Leben gestaltete, war es ihm unmöglich, welchen zu begegnen. Nach einem Krach über dieses Thema merkte er jedoch zum erstenmal, daß er auch Macht hatte, Druck ausüben konnte. Er brauchte lediglich damit zu drohen, er würde nicht… Na, nicht tun, was man gerade für ihn plante, denn die Schwäche zu zeigen und etwas zu streichen, auf was sie zehn Minuten vorher bestanden hatten, kam für sie nicht in Frage.
     
    »Ich glaube, in der Zeit«, hörte Quaddel sich zu Zuhörern sagen, die er nicht sah, weil er sich aus Furcht, er könnte in ihren Mienen Verurteilung lesen, nicht traute anzuschauen, »war ich bestimmt kein allzu netter Mensch.«
     
    Beeinflußt der Geist den Körper?
    Auch das war eine der Fragen, die er zu stellen beabsichtigte, sobald er mit seiner Beichte fertig war; er hatte die Frage seit jeher gefürchtet, fürchtete sie schon länger, als er sich zurückzuerinnern wagte, denn dachte er an all die Jahre der Schwindeleien, in denen es ihm an Mumm gefehlt hatte, um sich gegen seine Eltern, seine Anhänger, seine Bewunderer, seine Leichtgläubigen zu behaupten, ihnen seine ehrliche Meinung ins Gesicht zu schreien, betrachtete er sich als elenden Feigling. Er hatte das Geld genommen, das man ihm überließ, den Luxus ausgekostet, der sich damit kaufen ließ, sein Gewissen mit Reisen, Einkaufsorgien und Bumsen betäubt (selbstverständlich immer weit außerhalb des Umfelds der Menschen, die seinen Lehren Glauben schenkten); ab und zu war er am frühen Morgen aufgewacht und hatte sich selbst dermaßen verabscheut, daß er sich am liebsten den Schädel an der Wand eingerannt hätte.
    Und trotzdem blieb er eine Memme, die nicht den Mumm aufbrachte, den Mund aufzumachen.
    Es bedeutete ihm nahezu eine Erleichterung, als er erkrankte. Teilnahmslosigkeit befiel ihn, er wurde schwach und bleich, und zusätzlich übertrieb er sein Leiden, um sich vor weiterem Lehren und Predigen – oder Lügen, was auf das gleiche hinauslief – zu drücken. Nachdem sie monatelang vortäuschten, er sei nicht ernsthaft krank und würde bald gesunden, fanden Präriemond und Dosenschildkröte sich damit ab, daß die Gefahr eines Verlusts ihres leibhaftigen Kapitals drohte. Das leibhaftige Kapital in Gestalt ihres Sohns wußte schon Bescheid. Die viel zu spät hinzugezogenen Ärzte stimmten mit ihrer Diagnose allesamt überein: Leukämie, viel zu weit fortgeschritten, um noch etwas Aussichtsreicheres als eine rein symptomatische Behandlung zu ermöglichen.
    Dem Himmel sei Dank!
    Nicht daß er noch an irgend etwas Göttliches oder Übernatürliches geglaubt hätte. Der Idealismus war von ihm gewichen wie Farbe aus schlecht gefärbtem Stoff, und ganz ähnlich wie Stoff war er gräulich und verschlissen, bald verkündete er jene Meinung, ein anderes Mal diese Auffassung, und beides mit gleicher Überzeugung – das hieß, dem gleichen Mangel an Überzeugtheit –, und insgeheim spottete er über alle, die sich von seiner effizienten Rhetorik irreführen ließen, der Frucht seiner Kinderjahre, in denen man ihn die Kunst gelehrt hatte, die Dummen auszunehmen.
    Als er hörte, daß diejenigen seiner Anhänger, die ihn nicht der Sabotage beschuldigten, die Absicht hegten, ihn einfrieren zu lassen, rief er sie

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