Chaos Erde
wirklich Verantwortlichen – falls ihm denn überhaupt irgendeine schuldhafte Verantwortlichkeit beizumessen sein sollte –, der sich außerhalb ihrer Reichweite befindet, an Miss Anangaranga-Jones zu rächen. Weil diese Stümper indes ebenso unfähig wie mißgünstig sind, hat bisher keine ihrer Schlingen und Fallen das ausersehene Opfer zu schädigen vermocht.«
Holmes schnitt eine mißvergnügte Miene. Watson zupfte an seinem Ärmel. In diesem Augenblick trat Mrs. Hudson ein und rollte einen Servierwagen mit Gläsern, Karaffen sowie einer Auswahl an Knabbergebäck und belegten Schnittchen ins Zimmer.
»Mrs. Hudson, was für ein glänzender Einfall«, rief Watson. »Und genau im richtigen Moment.«
»In der Tat, in der Tat«, stimmte Holmes zu. »Miss Anangaranga-Jones, erlauben Sie uns, Ihnen ein Gläschen Madeira anzubieten. Und wie wär’s mit ein paar gesalzenen Mandeln?«
»Wir sind um Ihrer Hilfe und Ihres Ratschlags willen hier, Sir«, antwortete sie mit viktorianischer Steifheit, als hätte ihre Stimme sich in ein Korsett gezwängt, »nicht einiger Petitessen halber.«
»Mit Bestimmtheit dürfen Sie von uns beiderlei Entgegenkommen erwarten«, beteuerte Carnacki. »Denn ob übernatürlicher oder anderer Art, Sie konfrontieren uns mit einem wahrhaft hochinteressanten Rätsel.«
»Hört, hört!« tönte Watson, schenkte aus einer Karaffe ein Getränk in Gläser. »Ich brenne schon darauf, diesen neuen Fall in den nächsten Band meiner Sherlock-Holmes-Chroniken aufzunehmen.« Er verteilte die Gläser. »Nebenbei, der Wein ist natürlich auf der Basis fomalhautischen Crenchs produziert. Holmes und ich dürfen wegen Minderjährigkeit noch keinen Alkohol trinken.«
Erstaunt merkte Quaddel, daß er während der vergangenen Minuten gänzlich vergessen hatte, wie jung Holmes und Watson waren, so vollkommen überzeugend hatten sie die heikle Gratwanderung zwischen den ihnen zugewiesenen Rollen und der faktischen Realität gemeistert, in der sie sie spielten. Als Holmes seine Verblüffung gewahrte, zwinkerte er ihm zu.
»Sie stammen aus einer Periode, dank der Sie wissen müssen, was gemeint wäre, würde ich andeuten, daß wir Stanislawski und Brecht so manches schulden. Aber wir wollen dies Thema nicht vertiefen. Vielmehr sollten wir uns weiter mit der leidigen Angelegenheit beschäftigen, die…«
»Entschuldigen Sie bitte.« Der Wein schmeckte köstlich, die Häppchen ebenso, und die Mahlzeit im Hotel Interdimensional schien länger zurückzuliegen, als die seitdem verstrichene Zeit gedauert haben konnte; trotzdem zwang sich Quaddel, sein Glas abzustellen. »Jetzt sehe ich meine erste Gelegenheit, mich bei jemandem darüber zu informieren, was eigentlich passiert ist, seit… ja, seit ich gestorben bin. Könnten Sie mich wohl aufklären, bevor wir uns mit den gegenwärtigen Problemen befassen?«
Holmes und Watson wechselten Blicke der Verwunderung. »Möchten Sie damit sagen«, fragte ersterer nach flüchtigem Schweigen, »Ihnen sind nicht die Daten zugänglich gemacht worden, die man Auferstandenen normalerweise mit ins neue Leben gibt?«
»Nein.«
»Das ist ja höchst merkwürdig. Watson, haben Sie je einen ähnlichen Fall gehabt?«
»Niemals. So etwas ist mir völlig unverständlich. Ich meine, die Dinger sind reichlich vorhanden und billig, und sie werden jedes Jahr aktualisiert. Aber wie dem auch sei, das Versäumnis läßt sich nachholen. Zufällig habe ich das Erforderliche bei mir.«
Er langte neben sich nach unten und hob eine schwarze Ledertasche auf seinen Schoß; der Tasche entnahm er ein kleines Fläschchen mit rosa Pillen. Quaddel unterdrückte einen Laut der Überraschung.
»Aha, sieh an«, sagte Holmes in spitzem Ton. »Sie kennen sie? Watson, wirken sie manchmal nicht? Sind vielleicht manche Menschen dagegen immun?«
»Ich kann mir vorstellen, daß dergleichen ab und zu möglich ist«, gab Watson mit merklichen Zweifeln zur Antwort. »Aber nach so langer Zeit müßte man doch davon ausgehen können, daß…«
»Ich hätte eine Pille schlucken müssen?« platzte es erregt aus Quaddel hervor.
Alle Anwesenden starrten ihn stumm an. Als erste fand Nixy wieder Worte. »Sie meinen, Sie haben keine genommen? Die KryoSuspensionsklinik hat keine Schuld? Sie haben sich geweigert?«
»Ich…«
»Na, dann haben Sie sich den ganzen Ärger doch selber verursacht, oder nicht? Also wirklich, seien Sie doch mal ehrlich!« Nixy lehnte sich im Sessel zurück, verschränkte die Arme und schlug
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