Chaos Kriege Erstes Buch: Die Wächter der Elemente, Teil 1 (German Edition)
seinem Kopf ragte, überbot alles was in der Taverne der Stadt als Trophäe jemals an die Wände gehängt worden war. Es war wahrlich ein Glückstreffer, denn das prächtige Tier würde selbst durch sein Fell, Knochen und vor allem das Geweih genug Geld einbringen, damit er und seine Mutter den größten Teil des kommenden Winters versorgt waren, von dem zarten Wildfleisch, welches der Hirsch genügend auf den Knochen trug, gar nicht erst zu sprechen.
Obwohl die ganze Flanke seiner Beute offen lag und regelrecht danach schrie erlegt zu werden, konnte er hier keinen Pfeil verschießen. Das Dornengestrüpp war zu niedrig, um in eine kniende Position zu wechseln, ohne sich zu zeigen . Und das wollte er möglichst vermeiden, da er die scharfen Sinne des Tieres nicht unnötig herausfordern wollte. Und im Liegen konnte er mit seinem Jagdbogen unmöglich hantieren.
Nachdem er eine Weile die Gegend mit seinen Augen abgesucht hatte, fand er eine geeignete Stelle. Von dort aus hatte er eine gute Sicht auf das Tier, war ihm nicht zu nahe und vor allem hatte er dort genug Platz, um kniend in Stellung zu gehen. Vorsichtiger als zuvor kroch Klimar zurück durchs Gebüsch, gerade soweit, dass er die Sicht zu seiner Beute durch das dornige Geäst nicht verlor. Gemächlich, geradezu als wäre er der Gejagte, der sich nicht offenbaren dürfe, robbte er an der buschigen Anhöhe entlang, immer ein Auge auf seine Beute. Doch das Tier machte keine Anstalten zur Flucht. Seine Ohren bewegten sich zwar in alle Richtungen, aber es schien keine Geräusche vernehmen zu können, die ihn an Gefahr erinnerten, und fraß seelenruhig weiter, hob ab und zu den Kopf, um die Gegend zu erkunden und im schwachen Wind zu schnüffeln. Nur einmal rührte das Tier sich von der Stelle, um einen Ort zu finden, an dem es noch nicht geweidet hatte.
Als Klimar endlich an den ersehnten Ort gelangt war, richtete sich der junge Jäger langsam auf und versuchte sich, so gut es möglich war, hinter einigen Ästen zu verbergen. Er glaubte zwar nicht daran, dass die Sehschärfe des Tieres ausreichte, um ihn zu entdecken, bevor es die weitaus sensibleren Sinne des Hirsches getan hätten, aber Klimar wollte auch unter keinen Umständen ein Risiko eingehen. Fast schon in einer einschläfernden Geschwindigkeit holte der Schütze Pfeil und Bogen hervor, legte den Pfeil auf die Sehne, richtete ihn gegen das Tier und spannte den Bogen. Seine Hände zitterten, als wären sie in Eis eingelegt und er brach den Vorgang ab. So nervös war Klimar schon lange nicht mehr vor einem Schuss gewesen. Das letzte Mal musste vor drei Jahren gewesen sein, gleich nachdem sein Vater verstorben war und ihm bewusst wurde, wie abhängig er und seine Mutter von seiner Jagdbeute nun waren. Natürlich hatte Klimar damals das Tier verfehlt, doch heute war er erfahrener und wusste, dass die Ungeduld die Schuld am Fehlschuss trug. Diesen Hirsch ließ sich der junge Jäger nicht auf diese Weise entgehen.
Klimar atmete ruhig und langsam ein und aus, bis seine Nervosität im gleichmäßigen Rhythmus verpuffte. Dann legte er Pfeil und Bogen wieder in Position. Nun zitterten seine Hände nicht mehr, sie bewegten sich ganz ruhig im Takt mit seinen Atemstößen, wie ein Boot, welches auf kleinen Wellen wankte. Langsam glitt die Pfeilspitze aufwärts, sie wies nun auf den massigen Leib des Tieres. Sobald der Hirsch seinen Kopf heben würde, offenbarte er dem Jäger seinen Hals und dort wollte dieser sein Geschoss ansetzen. Der Hals des Tieres war die verwundbarste Stelle. Wenn die Pfeilspitze dort eindrang, konnte Klimar seine Beute sofort erlegen oder zumindest so stark verletzen, dass es nur noch wenige Meter davonrennen konnte, bevor es zusammenbrach. Verfehlte er und traf nur den Rücken, hätte der Hirsch genügend Kraft, um eine weite Strecke zurückzulegen. Falls Klimar der Spur folgen konnte, müsste er einen zweiten oder sogar dritten seiner für ihn wertvollen Pfeile verschwenden, um das Tier zu töten, was er natürlich für diesen Hirsch in Kauf nehmen würde. Aber welch ein Preis.
Ein Dutzend dieser spitzen Geschosse kostete mehr als Klimar jemals für seine Kleidung ausgegeben hatte. Drum trauerte er jedem der Pfeile nach, wenn wieder einer zerbrach oder in einem dichten Blättergewirr spurlos verschwand. Natürlich hatte er auch schon daran gedacht, selber Pfeile herzustellen. Die Materialien waren zumindest leicht zu bekommen. Aber er hatte den handwerklichen Aufwand unterschätzt,
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