Chaos Kriege Erstes Buch: Die Wächter der Elemente, Teil 1 (German Edition)
schließlich fand man keine bolzengerade Äste, die man wie Früchte von den Bäumen pflücken konnte und für die Präzision war ein ungekrümmter Rumpf unerlässlich. Die eisernen Spitzen mussten ebenfalls zuerst gegossen werden, eine Kunst, die man erlernen musste und Geld sowie Zeit kostete. Auch hier hatte er einmal auf billigere Pfeile gesetzt, deren Rumpf am vorderen Ende nur angespitzt waren, doch hätte er genauso gut mit stumpfen Ästen auf seine Beute werfen können, da die großen Zahnstocher kaum die Haut größerer Waldbewohner durchdringen konnten. Er musste wieder auf die teuren Pfeile umsteigen.
Klimar saugte die Luft lange ein, dann brach er die Atmung ganz ab, als hätte seine Lunge die weitere Arbeit verweigert. Das eine Auge geschlossen konzentrierte er sich nur noch auf den einen kleinen Bereich, den sein Pfeil treffen sollte und über dem gebeugten Nacken des Tieres lag. Das Übrige verschwamm und wurde farb- und gestaltlos. Von Belang war nur noch die kleine farbige Fläche und es war lediglich eine Frage der Zeit, bis seine Beute den mit dem großen Geweih gesegneten Kopf hob.
Doch der Hirsch zog das Spiel in die Länge. Als wäre er am verhungern, rodete er die Grasfläche vor sich, ohne auch nur einmal den Kopf zu heben. Klimars Lungen schrien nach Luft, seine Hände zitterten und Schweiß rann ihm in seine Augen, bis er seine Beute kaum mehr erkennen konnte und er den Bogen entspannen musste, um sich die brennende Flüssigkeit aus den Augen zu reiben. Während er seine schmerzenden Handgelenke zu entspannen versuchte, suchte er eine bequemere Haltung, da sein Knie ebenfalls zu schmerzen begann. Ein gequältes Grinsen durchzog sein Gesicht. Das listige Biest war nicht einfach zu erlegen, aber der Zeitpunkt würde kommen, zu welchem er einen sicheren Treffer landen konnte. Es war nur ein Geduldspiel und er hatte nicht vor dieses zu verlieren. Als er sich bereit für die zweite Runde fühlte, hob er Pfeil und Bogen, während er gleichmäßige Atemstöße von sich gab. Das Warten begann von Neuem und wieder setzte seine Atmung aus. Noch blieb das Tier stur und behielt den Kopf unten.
Von Klimar unbemerkt legte sich ein großflächiger Schatten auf die kleine Lichtung, während Klimars Gegenspieler geduldig graste. An einem sonnigen Tag hätte man vermuten können, es sei nur eine größere Wolke, die für kurze Zeit sich vor die Sonne schob. Doch heute, wo eine steingraue Wolkenschicht ganztags den Himmel bedeckte und der Sonne keine Möglichkeit zum Durchdringen gab, hatte der Schatten etwas Unnatürliches an sich, wie er über den Boden glitt und dabei flackerte, als wäre er unecht, nur eine Illusion, die so schnell wieder verschwinden konnte, wie sie gekommen war. Doch Klimar hatte keinen Augen für dieses Phänomen. Er nahm nur den kleinen, farbigen Bereich wahr, auf den sein Pfeil gerichtet war. Ein winziger Teil des Halses seiner Beute zeigte sich bereits in seinem begrenzten Sichtfeld. Es war kaum genug, um einen sicheren Treffer garantieren zu können und er verdrängte das Verlangen den Finger von der Bogensehne zu lösen und wartete weiter geduldig auf seine Chance. Klimar gab kurze Atemstöße von sich, um nicht zu ersticken und ging gleich wieder in Position und versuchte nicht auf die schmerzenden Hände und Arme zu achten. Dann sprang der Kopf des Hirsches schreckhaft hoch und der junge Jäger witterte die Gelegenheit.
Als würde der ganze Wald erbeben oder sogar die Welt in einem Schlag untergehen, rissen Hunderte kreischende Vogelschwärme, die alle im selben Moment aus den Baumkronen in den Himmel stachen, Klimar aus seiner Starre, gerade als er die Bogensehne entspannen wollte. Seine Hand zuckte, noch bevor der Pfeil durch die Lüfte zischte und auf das nicht minder erschrockene Tier zuraste, dessen Hals streifte und dort eine blutige Furche hinterließ, bevor er auf einer felsigen Aushebung zerschellte. Der Hirsch rannte mit einer Zickzackbewegung in den Wald und war kurz darauf nicht mehr zu sehen.
Sein Herz pochte, als würde es gleich aus seiner Brust springen und laut fluchend blickte Klimar nach oben. Der Wald war von einem Lärmen erfüllt, die seine bisherige Vorsicht lächerlich erscheinen ließ. Seinen Frust wollte er an jedem einzelnen dieser verfluchten Vögel auslassen. Doch als er in den schwarzen Himmel schaute, blieben ihm die Worte im Halse stecken, sein Unterkiefer klappte auf und ein kraftloses Stöhnen drang hervor. Genau über seinem Kopf flatterten
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