Chaos über Diamantia
laut aufgefangen und übermittelt.
Der Hinweis, daß Bray abgeflogen war, um Lositeen ausfindig zu machen, elektrisierte Morton. Er stellte fest, daß das Flugüberwachungssystem getreulich den Kurs der Maschine aufgenommen hatte, die Bray und Struthers am Vortag unter Verwendung der Autorität Oberst Mortons angefordert hatten, und notierte den Namen des kleinen Dorfes. Ein paar Minuten darauf rief Struthers in seinem Auftrag die Auskunft an und stellte eine Telefonverbindung mit dem Eisenwarenladen her.
Die dialektgefärbte Stimme eines Diamantiers antwortete, und nachdem Morton sich identifiziert hatte, sagte die Stimme erregt: »Lositeen ist heute nicht zur Arbeit erschienen, und ich habe Grund zu der Annahme, daß er den Irsk-Rebellen zum Opfer gefallen ist.«
Wie es schien, gab es einen Augenzeugen. Der Mann, der von einem Fenster aus die Vorgänge auf der Dorfstraße beobachtet hatte, hatte die ganze Sache etwas durcheinandergebracht, aber er hatte gesehen, was geschehen war, nachdem Gerhardt bewußtlos neben Bray und Lositeen liegengeblieben war.
Nach der Aussage des Zeugen hatte Zoolanyt die kleine Maschine in die Dorfstraße gesteuert, die drei Besinnungslosen an Bord gezerrt und war dann gestartet. Der Zeuge war daraufhin zum nächsten Telefon gelaufen und hatte die örtliche diamantische Polizeistation alarmiert. Aber eine Durchsuchung des Luftraums war ohne Ergebnis geblieben.
Morton dankte dem Informanten und legte auf. Neuerliches Studium der im Flugüberwachungssystem gespeicherten Daten enthüllte, daß die Maschine im Bereich der Gyuma-Schlucht gelandet war.
Er war unruhig. Das Gefühl einer kulminierenden Krise, die sich vorbereitete, drang von allen Seiten auf ihn ein. Er saß da und rang mit einem Gedanken, der ihn beschäftigte. Doch eine Wahrheit stieß ihn vorwärts: Wer weiß, wieviel Zeit mir noch bleibt … So war es jetzt die Zeit für eine Einsicht, die ihre ersten schwachen Spuren in sein Bewußtsein geprägt hatte, als ihm aufgegangen war, daß Bray sich mehrmals als Oberst Charles Morton ausgegeben hatte und David Kirk zu der Zeit, als er ohnmächtig geworden war, als Leutnant Lester Bray aufgetreten war.
Er sah, daß die Logik seines Gedankens buchstäblich schwarz auf weiß war. Wenn sie richtig war, dann mußte er tun, was er erwog; und wenn sie falsch war, dann würden einige Leute in Schwierigkeiten geraten.
Er stellte eine Videofonverbindung mit Dr. Jerome Fondier im Hospital der Incurabili her. Sobald der Arzt sich meldete, ließ der Computer ein Ultraschall-Grundmuster durch den offenen Kanal in das Gehirn des Arztes fließen. Das Muster ergriff die Kontrolle über das Zentralnervensystem. Fondier, unter der mechanisch induzierten Hypnose, nannte Morton zwei Namen. Einer war der des Offiziers der Erdföderation, der auf Fondiers Anzeige hin einen Haftbefehl für Morton ausgestellt hatte. Und der andere war der Name des Arztes, der Morton die Ohnmacht bewirkende Injektion verabfolgt hatte.
Morton befahl Fondier: »Geben Sie Ihre Position im Krankenhaus auf. Eröffnen Sie eine Praxis in einem Armenviertel und widmen Sie sich der Aufgabe, den Armen zu niedrigen Preisen ärztliche Hilfe zu leisten. Tun Sie dies unter dem Namen – passen Sie gut auf! – Charles Morton.«
Er unterbrach die Verbindung ohne Gewissensbisse. In der Reihe der falschen Mortons sollten auch einige Diamantier sein. Das demokratische Prinzip verlangte nach einer breiten Basis von Standpunkten. Und wer von den Patrioten war besser geeignet als Fondier?
Dem anderen Arzt, dessen Name Louis Gaviota war, gab er den gleichen Befehl. Dem Offizier der Erdföderation, einem Oberst Ereter, sagte er: »Sie werden während der nächsten fünf Tage mit aller Entschiedenheit darauf bestehen, daß Sie Oberst Charles Morton sind. Wohin Sie das führen wird, überlasse ich dem Urteil Ihres Stabschefs.«
Seine nächste Handlung war ein allgemeiner Befehl an den Computer, der die Zahl der Charles Mortons erheblich ausweitete. Er spezifizierte: »Es sind zweihundertfünfzig diamantische Männer aller Schichten und zweihundertfünfzig Dienstgrade der Erdföderation vom gemeinen Soldaten bis zum Oberstleutnant sowie fünfhundert Prostituierte auszuwählen. Die Hälfte dieser Männer und Frauen müssen hier in Neu Neapel ansässig sein, während der Rest aus allen Teilen des Kontinents kommen sollte. Allen diesen Personen ist zu sagen, daß sie ein vorübergehendes Identitätsproblem haben werden, eine starke
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