Chaosprinz Band 1
in der Liebe.« Lena lächelt erst Martin und Elena an, die daraufhin sofort rot anläuft und zwinkert dann mir zu. Ich grinse traurig. Unsere Tassen stoßen klackend aneinander. Jeder trinkt einen Schluck.
»Oh, Martin, nun hätten wir fast dein Geschenk vergessen…« Hastig kramt Elena in ihrer Tasche. Sie holt ein kleines Päckchen hervor, nicht viel größer als eine Zigarettenschachtel.
»Was ist das?« Er schaut es verwundert an.
»Eine noch nicht aufgeblasenen Gummipuppe«, erkläre ich ernst.
Die drei lachen. Martin öffnet das Geschenkpapier. Er stutzt, betrachtet die kleine Schachtel, dann nimmt er den Deckel ab und holt eine winzige Figur hervor. Es ist ein kleiner Schaffner mit blauer Uniform, der gerade in seine Pfeife bläst.
»Den habe ich mir gewünscht… für meine Sammlung… Der ist so selten…« Martin ist sprachlos und Elena strahlt. »Woher…?«, fragt Martin völlig heiser, nicht in der Lage, den Blick von der kleinen Figur zu nehmen.
»Du hast ihn mir in einem Katalog gezeigt… Weißt du noch, als ich mal Viola besucht habe. Wir waren im Keller bei deiner Eisenbahn und da hast du mir das Bild gezeigt…« Elena ist ein bisschen rot geworden. Martin sagt nichts mehr, schaut sie nur mit großen Augen an.
»Na, siehst du, Martin, im Grunde war das der schönste Geburtstag, den du je hattest.« Ich lasse mich lächelnd nach hinten ins Gras fallen.
17. Kapitel
Frühstücksfernsehen
Tick, tack, tick, tack, tick, tack… Langsam wandert der Sekundenzeiger über das Ziffernblatt der großen Wanduhr. Er scheint es nicht eilig zu haben, lässt sich Zeit, ist völlig entspannt. Warum sich denn beeilen, man ist ja nur ein kleiner, schwarzer, unbedeutender Sekundenzeiger und als kleiner, schwarzer, unbedeutender Sekundenzeiger interessiert man sich einen Scheiß für die großen Fragen dieser Welt. Ich hasse kleine, schwarze, unbedeutende Sekundenzeiger.
Ich zwinge mich, den Blick von der weißen, runden Uhr zu nehmen. In den letzten zwanzig Minuten ist mir klar geworden: Je mehr ich starre, desto langsamer bewegen sich die dämlichen Zeiger vorwärts.
Ich seufze, rutsche ein wenig tiefer in die weichen Kissen und versuche, mich auf die Bilder zu konzentrieren, die wild und bunt über den Fernsehbildschirm flimmern. Es ist fünf Uhr dreißig, Montagmorgen, der erste Schultag in Bayern – mein erster Schultag in Bayern – und ich bin wach. Um genau zu sein, habe ich gar nicht richtig geschlafen, die ganze Nacht nicht.
Wie es sich für einen braven, strebsamen Jüngling gehört, bin ich gestern Abend schon um 22 Uhr ins Bett gegangen. Dort habe ich dann auf Noresund gelegen, den Blick in den Sternenhimmel über mir gerichtet und habe versucht, einzuschlafen. Es hat nicht geklappt. Ich habe Schäfchen gezählt, die über Weidenzäune springen, habe die Schäfchen durch weiße Ponys ersetzt. Von den weißen Ponys war es kein weiter Weg zu weißen Hündchen, Kätzchen, Häschen und Täubchen und schon war ich bei Ikea.
Ikea und ihrem großen, schönen Käfig auf Manus und Marcs Balkon. Ich habe sie in der letzten Woche besucht – Marc, Manu und Ikea. Während Manu und ich Playstation spielten, kochte Marc ein wirklich leckeres Essen. Irgendwas Indisches oder so. Es war ein toller Abend, wir lachten viel.
Manu zeigte mir Unmengen von Bildern aus ihrer gemeinsamen Schulzeit. Er war ein unheimlich süßer Junge, groß, sportlich, immer lächelnd, umringt von einer Menge Freunden. Marc dagegen war ziemlich klein, dünn, mit einer großen, runden Brille auf der Nase und viel zu weiten Karohemden.
»So sahst du früher aus?« Ich musste lachen und schaute wieder auf das Bild in meiner Hand. Wir saßen zu dritt auf dem Fußboden im Wohnzimmer. Die Fenster waren weit geöffnet, der September noch jung und die Luft roch nach dem Ende des Sommers.
»Ich trug damals die Hemden meines Vaters«, erklärte mir Marc. »Natürlich waren sie mir ein bisschen zu groß, aber wenigstens waren sie immer sauber und anständig gebügelt.« Er hob stolz den Kopf und trank von seinem Rotwein. Ich musterte ihn eine Weile. Es fiel mir schwer, diesen attraktiven, gepflegten Mann Ende zwanzig mit dem dünnen, blassen Jungen von den Fotos in Verbindung zu bringen.
»Und damals hast du dich dann in ihn verliebt? Du fandest seine dicke Brille und die Hosenträger soooo sexy?« Ich grinste Manu an und versuchte, Marcs Fuß auszuweichen, der gegen meinen Oberschenkel trat.
Manu lachte. »Was? Nein, damals
Weitere Kostenlose Bücher