Chaosprinz Band 1
Verwirrt schaue ich nach vorne.
18. Kapitel
Mein erster Schultag
Ein Mann mittleren Alters betritt das Zimmer. Die mausgrauen Haare sind streng nach hinten gekämmt. Zwei matte Augen blicken sich unter buschigen, zusammengezogenen Augenbrauen im Raum um. Der gestrickte Pullunder, das karierte Hemd und die braune Cordhose vollenden die klischeegetränkte Erscheinung des Paukers.
»Guten Morgen.« Kalt hallt seine Begrüßung durch den Raum. Geschlossen und laut antwortet ihm die Klasse. Dann herrscht wieder Schweigen.
Blinzelnd schaue ich mich um. Wow, hier in München sind die Schüler ja wirklich brav und wohlerzogen – wollen wohl alle einen Spitzen-Abschluss und einen Studienplatz an einer Eliteuniversität. Dann fällt mein Blick auf Alex. Seine Miene ist wie versteinert, die grauen Augen blitzen und er presst seine Lippen fest zusammen. Was ist denn los, hab ich was verpasst?
»So.« Der Mann stützt sich mit beiden Händen auf der Tischplatte des Lehrerpults ab und lässt seine kleinen Augen über die Reihen schweifen. »Ein neues Schuljahr. Wie Sie wissen, ist dies ihr letztes Jahr vor dem Abiturjahr. Die Erwartungen, die nun an Sie gerichtet werden, sind größer und anspruchsvoller als die Jahre zuvor. Eines kann ich Ihnen schon jetzt versprechen, nicht jeder wird das Abitur schaffen und einige sollten vielleicht jetzt schon über Alternativen nachdenken. Geschenkt wird Ihnen nichts, so viel ist sicher.«
Keiner regt sich, keiner antwortet dem Mann an der Tafel. Stumm starrt die Klasse nach vorne. Plötzlich hebt Tom seine Hand.
»Der Herr Krause – wer denn auch sonst…« Der Mann fixiert Tom mit seinen kleinen wässrigen Augen. »Ja, bitte, was haben Sie uns denn so wahnsinnig Wichtiges mitzuteilen?«
»Herr Dacher, sollten wir nicht eigentlich die erste Stunde bei unserem Tutor haben? So steht es zumindest in unseren Stundenplänen…« Er hebt einen Zettel in die Höhe und liest dann laut vor: »Erste und zweite Stunde, Leistungskurs Deutsch, Herr Baummann.«
Dacher lächelt. Naja, zumindest zieht er seine Mundwinkel nach oben, doch die kleinen Augen bleiben starr auf Toms Gesicht gerichtet.
»Herr Baummann hat eine wichtige Besprechung und bat mich darum, ihn zu vertreten. Ich hoffe, das ist Ihnen recht?«
»Ja, natürlich, ganz allerliebst«, flötet Tom frech. Leises Kichern wandert durch die Reihen.
Dacher funkelt Tom wütend an. »An Ihrer Stelle würde ich vorsichtig sein. Sie leben schon viel zu lange in dem Irrglauben, sich alles erlauben zu können!«
Tom zuckt nicht einmal mit der Wimper, sondern schenkt dem Lehrer immer noch sein charmantestes Lächeln. Ich bewundere ihn. Nicht zuletzt, weil ich selbst eine fürchterliche Gänsehaut habe. Dieser Typ ist ja mal so was von gruselig.
Dacher wendet sich endlich von Tom ab und will sich zur Tafel drehen, als sein Blick meinem begegnet. Langsam mustert er mich. Ich habe das Gefühl, als ob er versucht, durch meine Augen in meinen Kopf hineinzuschauen. Schnell senke ich den Blick.
»Ullmann, wenn ich mich recht erinnere. Sie sind also der Neue… der Bruder von Herrn Ziegler.« Scharf schallt seine Stimme zu mir herüber, er wirft einen kurzen Blick in Alex' Richtung. Ich zucke zusammen, nicke dann.
»Wo kommen Sie her?«
»Aus Hamburg.« Ich muss mich räuspern, weil meine Stimme so kratzig klingt.
»Hamburg? Soso… Und hat Ihr Bruder Ihnen bereits erklärt, welch anspruchsvolles Niveau wir hier pflegen und anstreben?«
Ich schaue Alex an. Er starrt immer noch mit eiskaltem Blick in Richtung Dacher.
»Ähm, also…« Was soll ich denn darauf antworten?
»Also nicht, das hat er wohl versäumt…« Dacher schenkt Alex ein bitterböses Lächeln.
»Nun denn, Sie müssen wissen, ich bin kein Mann, der auf Namen wert legt!«
Ich glotze ihn etwas verwirrt an. Was meint der denn damit?
»Mir ist es egal, ob Ihr Vater Bankdirektor, Herzchirurg oder Literaturprofessor ist. Das spielt für mich keine Rolle! Wichtig sind nur Ihre Leistungen, und wenn Sie sich nicht in der Lage sehen, diese zu erbringen, dann sind Sie hier falsch. So einfach ist das!« Er sieht mich lange an. Schaut mir direkt in die Augen. Ich werde langsam richtig nervös. Meine Hände schwitzen und meine Wangen glühen unangenehm.
»Haben Sie das so weit verstanden?« Laut hallt seine Stimme durch den Raum, prallt an den weißen Wänden ab und wird zu mir zurückgeschickt. Ich nicke eifrig.
»Sehr schön!« Er dreht sich um und geht mit schnellem Schritt auf
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