Chaosprinz Band 1
er sich seinem Stiefvater zuwendet. »Was machst du denn hier?« Joachim holt tief Luft, braucht einige Sekunden, um sich zu sammeln.
»Ich bin vom Büro zu Fuß hierher gekommen, um mit euch nach Hause zu fahren. Ich dachte, ihr würdet euch vielleicht freuen, ist ja schließlich euer erster Schultag… Tobis erster Schultag… und ich habe mir den Nachmittag freigenommen.«
»Wirklich?« Maria strahlt und auch Alex lächelt.
»Da werden sich Mom und die Kleinen sicher freuen, dann kannst du nämlich mit ihnen zum Reiten fahren«, schlägt Alex vor. Joachim nickt.
»Eine gute Idee«, finde ich und Joachim wirft mir einen kurzen Blick zu.
Den Weg zum Parkplatz und die ganze Fahrt über nach Hause dürfen wir uns nun Marias Beschwerden anhören. Während sie quasselt und schimpft, schweigen Joachim, Alex und ich. Wahrscheinlich sind wir ihr alle drei im Stillen dankbar dafür, dass sie uns das Reden abnimmt, so können wir unseren komplizierten Gedanken nachhängen…
Joachim parkt den Wagen direkt vor dem weißen Garagentor.
»… und was sagt diese alte, vertrocknete Schachtel? Machen Sie sich keine Sorgen, Frau Ziegler, für eine Ausbildung zur Kosmetikerin reicht es allemal… Ich meine, hallo, das ist doch mal so was von unverschämt. Echt, meine Englischlehrerin ist so eine blöde Kuh!« Schnaubend wirft Maria die Autotür zu und folgt Alex und mir zum Hauseingang.
»Sollen deine Mutter und ich mal mit dieser Lehrerin reden?«, fragt Joachim, doch klingt er dabei recht abwesend.
»Nee, das kriege ich auch so hin.« Maria schüttelt den Kopf und wartet darauf, dass Alex die Haustür aufschließt. Wir gehen rein. Maria und Alex steigen sofort die Stufen in den ersten Stock hoch, während Joachim sich langsam das Jackett auszieht und ich eine kurze Weile seinen Rücken betrachte, ehe ich mich schweigend umdrehe und Richtung Küche gehe.
In der Luft hängt ein kratziger Geruch, es riecht nach verbranntem Essen. Dicker Rauch hängt in der Küche, brennt in meinen Augen, zwingt mich zum Blinzeln und kratzt in meinem Hals. Ich huste.
»Martha?« Ein leises Schluchzen. »Martha?« Suchend schaue ich mich in der verqualmten Küche um. Ich gehe einmal um den breiten Tresen und dann sehe ich Bettina. Sie kniet vor dem geöffneten Offen. In den Händen hält sie ein paar Topflappen und eine Kuchenform. Schwarz und verkohlt dampft der dunkle Teig in seiner Form.
»Was ist denn passiert?«, frage ich ruhig. Bettina schaut mich aus roten Augen an, dann richtet sie sich auf und stellt den ruinierten Kuchen auf die Arbeitsfläche. Sie wischt sich mit dem Handrücken über das Gesicht.
»Ich wollte einen Kuchen backen, aber er… er ist nichts geworden.« Sie dreht mir den Rücken zu. Ich gehe langsam auf sie zu, bleibe dicht neben ihr stehen und betrachte das schwarze Ding vor meiner Nase.
»Ich habe mich genau an die Anweisungen gehalten. Es war eigentlich ganz einfach, ein Rührkuchen für Anfänger und trotzdem… Ich wollte doch nur für euch…« Ihre Stimme wird immer leiser.
Ich weiß nicht, was ich sagen soll, unsicher schaue ich sie an. Tränen schwimmen in ihren grauen Augen, blonde Strähnen fallen ihr ins Gesicht. Sie traut sich nicht, mich anzusehen. Plötzlich wischt sie sich hastig über die Augen, schnieft noch einmal, ehe sie die Topflappen in die Hände nimmt und die Kuchenform zum Mülleimer trägt.
»Naja, ist ja auch egal…« Sie will ihn gerade hineinschmeißen…
»Warte!« Ich halte ihren Arm fest. »Nicht so schnell. Er ist doch nur ein bisschen angebrannt, aber das ist kein Problem!« Ohne auf ihre Widersprüche zu achten, schnappe ich mir den völlig ruinierten Kuchen und stelle ihn wieder auf die Arbeitsfläche. Dann befreie ich ihn schnell aus seiner Form und hole mir ein großes, scharfes Küchenmesser aus einer der Schubladen.
»So, du wirst sehen, er schmeckt ganz sicher köstlich.« Ich schneide drei, vier Scheiben ab und muss mich dabei ziemlich anstrengen, da das Teil mittlerweile steinhart geworden ist. Mann, was hat sie denn da reingetan? Eine Betonmischung?
»Tobi, lass das, bitte.« Resigniert beobachtet mich Bettina dabei, wie ich mich mit dem Kuchen abmühe.
»Warum denn? Ich mag Kuchen!« Ich nehme mir ein Stück und beiße herzhaft hinein.
»Nicht, Tobi, das kann man nicht mehr essen.«
»Doch«, schmatze ich, »es schmeckt köstlich!«
Das ist geschwindelt! Nein, gelogen! Total gelogen! Der Kuchen schmeckt nach Holzkohle oder noch schlimmer, keine Ahnung. Ich
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